Komoedie des Alterns
aufgetürmt waren oder auf dem großen Grillrost schmorten, greifen sollten, und verließen den Kreis, in dem sie standen. Es zog sie zu den duftenden Lammkoteletts, und Mustafa, besorgt um sein Arrangement, klärte sie nicht einfach über das Mißverständnis auf, er warf sich ihnen entgegen, wodurch er einen Tumult provozierte, was den Österreicher zu der protestierenden Gruppe hineilen ließ, um sie zu beschwichtigen. Die Amerikanerin aber war es, die das Problem löste.
Sie sagte den Männern, was sie ohnedies schon gesehen hatten, daß die Tafel für sie gedeckt sei, vor allem aber, was sie offenbar nicht wußten, daß sie bedient würden. Als alle endlich saßen, der eine und andere noch aufgebracht zu Mustafa hinschnauzte, klatschte Jenna Vanzetti in die Hände, bat um Gehör und setzte die Ansprache des Österreichers fort, indem sie verlautbarte, daß die Erfinder dieses Festmahls elf Gänge vorgesehen hätten, es werde also niemand verhungern, allerdings gebe es ihr zu denken, daß einige Voreilige ausgerechnet zum Lamm drängten, so daß sie die Köchinnen und Köche bitte, dieses Gericht, das erst an der dritten Stelle der Speisefolge stehe, vorzuziehen, was ihr den lauten Beifall der Bohrarbeiter, aber auch den leisen Widerspruch der Köche eintrug, weil die ihren Zeitplan über den Haufen geworfen sahen, woraufhin Vanzetti sich entsann, daß der Österreicher versprochen hatte, nach der Hauptspeise, dem Lamm, etwas auf der Geige zum besten zu geben. Und so dekretierte sie, eine geborene Volksrednerin, wie Sarani sich erinnerte, daß die drei Ehrenkellner, Mustafa, der Österreicher und sie selbst, noch einmal die Gläser derer, die dem Alkohol zugetan waren, mit Sekt füllten, daß danach der Österreicher die Steyrischen Tänze von Joseph Lanner auf der Geige spielen werde, so daß die Köche genug Zeit hätten, das Lamm als erstes Gericht zuzubereiten. Da vernahm man aus einer Ecke Applaus. Der galt aber nicht der Amerikanerin, sondern Mustafa, dem es gelungen war, einen der Köche zu seinem Komplizen zu machen, welcher aus dem großen Vorrat, der für den letzten, den elften Gang vorgesehen war, die Hälfte abgab und auf Teller verteilte: Ziegenkäse, Feigenmarmelade und je ein Stück gegrilltes Weißbrot mitKnoblauch. Mustafa lief, um zu zeigen, wie man eine schlechte Stimmung in eine festliche verwandelt, mit vier kleinen Tellern auf dem linken Unterarm zwischen Festtafel und Buffet hin und her und hatte bald alle Festgäste zu deren Überraschung mit einer Vorspeise versorgt.
Daraufhin gab die Amerikanerin, die sich an der Rand des Geschehens gedrängt fühlte, dem Österreicher den Einsatz, als wäre sie die Dirigentin und er der vor einem Orchester stehende Solist, damit er mit dem Geigenvortrag beginne, was er auch tat, indem er, fügsam wie nur ein Frischverliebter, zu seiner Geige sprang, die auf dem Buffet bereitlag. Der Österreicher, erinnerte Sarani sich, legte los mit einer Fingerfertigkeit und einer Sicherheit auch in den hohen Lagen, als hätte er die Geige in Kairo mitgehabt und die wenigen Tage dort genutzt, um Lanners Steyrische Tänze zu üben, die er auch in Wien gern gespielt hatte, doch stets unsicher, wenn er auf der E-Saite, was Lanner ihm nicht ersparte, hinauf in die dritte und fünfte Lage mußte.
Jenna Vanzetti stellte sich vor ihn, begann zu tanzen, schneller, immer schneller, weil sie, da sie mit dem Walzertakt nicht zurechtkam, den Dreivierteltakt in Achtel auflöste und den Walzer zu einer Polka transformierte, was, dachte Sarani, wahrscheinlich nur er als – zugegeben anmutigen – Aberwitz empfand. Zweimal tanzte die Amerikanerin um die Festtafel herum, der Österreicher folgte ihr ausgelassen fiedelnd, bis er von einem der Köche das Zeichen bekam, daß die Küche die Änderung der Speisenfolge organisiert hatte und das Lamm aufgetragen werden konnte.
Freudensprung brach mitten in einem Tanzstück ab, verwandelte sich vom Geiger zum Kellner und trug die erstePortion Lamm mit Bratkartoffeln und Bohnen auf. Die Amerikanerin konnte so rasch nicht innehalten, erst der Jubel über ihre Tanzkunst und der Applaus fürs Lamm brachte sie zum Stehen.
Nicht nur die schlechte Stimmung war gebannt, auch schlug, erinnerte Sarani sich, die steife Feierlichkeit um in Festtagsstimmung. Sophie flüsterte Zacharias ins Ohr, sie habe ihn noch nie so traumverloren dasitzen sehen, und er konnte, versunken in den Anblick der drei Kellner, nicht einmal antworten. Die amerikanische
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