Komoedie des Alterns
Mitteln, sei für sie interessanter als jenen architektonischen Unfug mitzumachen, den der aus Raub entstandene Überfluß der Ersten Welt gebäre. Sie bezeichne diese Erste Welt deshalb als das Letzte.
Diese Einsicht, fuhr Vanzetti fort, verdanke sie Georg Loser, einem Architekten, der aus Graz stamme, in Wien studiert und in Paris gearbeitet habe, nun in Berlin lehre und arbeite. Er habe die Ökologie wiederentdeckt, nicht als brauchbares Beiwerk, sondern als Formelement der Architektur. Daß es in ein Haus nicht hineinregne, daß man in einem Haus nicht friere oder nicht vor Hitze umkomme, sei auch eine baukünstlerische Frage.
Sie entschuldige sich für diese Ausschweifung, die, wie sie beteuerte, gleichwohl notwendig gewesen sei, denn dieser Architekt habe ihr die Augen geöffnet. Und hier in der Wüste auf jemanden zu stoßen, der ihn kenne, lasse sie beinahe die Fassung verlieren, schließlich sei Loser jemand, der nur durch sein Werk wirken wolle, Reklame für sich weder betreibe noch zulasse, ja behaupte, die Wirkung seiner Bauwerke sollte sich vollends im Wohlbefinden der Benutzer und im Wohlwollen der Betrachter erschöpfen. Nun müsse sie feststellen, daß Loser eine Bekanntheit anhafte, die bis in die ägyptische Wüste reiche.
Sarani antwortete, ihre Überlegungen würden sie zwar als eine dem Georg Loser ebenbürtige Schülerin ausweisen, ihre Sorge aber, Loser könnte einer dieser Routiniers geworden sein, die weltweit ihre aufdringlichen Markenzeichen in Gestalt von Architektur hinterlassen, sei unbegründet. Loser sei ein alter und sehr guter Freund von Heinrich und insofern auch ein Freund von ihm. Freudensprung und der um weniges ältere Loser hätten zurgleichen Zeit in Wien studiert. Für Sarani, den Techniker, seien sie damals die Künstlerfreunde gewesen, einander auf eine ebenso beglückende wie erschreckende Weise ähnlich. Habe er ihnen zugehört, habe er mitunter nicht gewußt, welcher der beiden redete, so ähnlich habe ihre Art des Denkens, aber auch des Sprechens gewirkt. Anders als die Freundschaft zwischen Sarani und Heinrich, die des fortwährenden Kontakts, des persönlichen oder brieflichen bedürfe, scheine die Freundschaft zwischen Freudensprung und Loser auf keine Form von Wirklichkeit, nicht einmal die des telefonischen Gesprächs angewiesen zu sein.
Er sei dabeigewesen, als die beiden sich trafen, nachdem sie sieben Jahre nichts voneinander gehört hatten. Nur flüchtig hätten sie sich begrüßt, und schon seien sie mitten in einem heiteren Gespräch gewesen, aber so, als würden sie das Gespräch vom Tag zuvor fortsetzen. Es sei wie immer irritierend tiefsinnig gewesen, irritierend, weil sie Tiefsinn nur in Gestalt des Witzes ertragen hätten, es sei wie immer darum gegangen, woran jeder von ihnen gerade arbeite. Sarani habe mit Freude und Gewinn zugehört, aber auch mit einem bitteren Gefühl. Die beiden hätten zwar immer wieder zu ihm geblickt, ihn zum Gespräch einladend, doch dieses Gespräch sei so hermetisch gewesen, daß er zwar verstand, was gesagt wurde, aber nicht daran teilnehmen konnte. Er habe das erkannt, aber, merkwürdigerweise, nicht darunter gelitten.
Vanzetti, erinnerte Sarani sich, umarmte ihn und weinte und lachte und sagte, sie habe außer mit Heinrich noch nie mit einem Mann geschlafen, den sie nicht gut gekannt habe. Nun begreife sie, warum Heinrich Freudensprungihr vom ersten Augenblick an nahegestanden sei. Weil er sich von Loser nur in Nuancen unterscheide. Sie habe mit Heinrich und also mit Loser geschlafen, an Loser, den Lehrer, hätte sie sich nicht so nahe herangewagt.
Verwundert über sich selbst, schüttelte Vanzetti den Kopf, wobei sie die Lippen aufwarf zu einem Clownsmund, was Sophie zum Lachen brachte, und sie zog die Amerikanerin sanft zurück auf den Sessel, auf dem diese vorher gesessen war, und fragte, ob Vanzetti angesichts der neuen Lebenskonstellation nicht doch auf der Farm bleiben wolle, es gebe hier viel zu bauen. Vanzetti, erinnerte Sarani sich, drehte den Spieß um und sagte zu Sophie, so jemanden wie sie, mit einem liebevollen Verstand, brauche sie als Kollegin in ihrem Architekturbüro in New York.
Sarani verließ das Zelt, lief bis zum äußersten Rand des großen Grundstücks, wo Freudensprung Steine übereinanderschichtete, und erzählte ihm, daß seine Geliebte abreisen werde, nur um in New York Georg Loser zu treffen.
Freudensprung sagte nur, er wisse, daß Georg in New York sei. Sarani: Und die Verbindung zu
Weitere Kostenlose Bücher