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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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jener Stadt, in der er an den Rand des Todes geraten sei, keinen Tag mehr leben.
    Sarani lachte. Freudensprung hörte entzückt hin. Endlich vernahm er wieder dieses wissende Lachen, wie Freudensprung es nannte. Im Stahlwerk hatte er es zum erstenmal gehört, als der Betriebsleiter Sarani in der Fabrikshalle, in der ein erster Rundblick genügte, um zu wissen, daß alle paar Meter Gefahr drohte, vor den Gefahren im Stahlwerk warnte, worauf Sarani dem Betriebsleiter, als hätte der einen Scherz gemacht, herzlich ins Gesicht gelacht hatte.
    Nein, sagte Sarani, immer noch lachend, Freudensprung werde nicht abreisen, und er gab dem rotblonden Kellner ein Zeichen – zwei nervöse Finger taten so, als könnten sie es nicht erwarten, eine Zigarette zum Mund zu führen –, woraufhin auf einem Silbertablett Zündhölzer und eine kleine Blechschachtel mit Zigarillos serviert wurden. Sarani zündete sich einen Zigarillo an und sog daran, als könne er aus dem Tabak die Kraft ziehen, die er brauche, um weiterzureden. Er habe, sagte er –. Doch Freudensprung unterbrach ihn mit der Frage, seit wann er rauche.
    Sarani rechnete nach. Seit vier Jahren, sagte er, und nur nachts und nur Zigarillos und nur mit Karem; oder aber hier in der Lounge, wenn er, weil ein Abflug sich verzögere, warten müsse.
    Er sei es gewesen, behauptete Freudensprung, der Karem dazu gebracht habe, nicht mehr stinkende Zigaretten zu rauchen, sondern sich mit Freudensprungs Zigarillos zu bedienen, was Karem gern getan habe, aber mit der Frage verband, warum nicht auch Freudensprung diese wunderbaren Zigarillos rauche, sondern Pfeife, gestopft noch dazu mit englischem Tabak, wo doch dieser Kolonialherrengeruch ein Greuel für jeden Ägypter sei.
    Karem und Heinrich, rief Sarani dazwischen, was für ein Gespann! Sie seien die Attraktion, aber auch der Schrecken der Volkshochschule gewesen. Unterrichtet wurde, erinnerte Freudensprung sich, wofür die Mehrheit auf der Farm sich entschied, die Kurse fanden in der Arbeitszeit statt, mindestens zwei Stunden Unterricht stand jeder und jedem zu, beliebt war Arabisch, man wollte die eigene Sprache ordentlich erlernen, auch Englisch, damit man sich mit Ausländern, die auf der Farm beschäftigt waren, unterhalten konnte, gewünscht war Unterricht über Gesundheit und Ernährung, überlaufen aber waren die Kurse zu den Themen Biologie und Musik.
    Karem, erinnerte Freudensprung sich, hatte als Erntearbeiter begonnen, nebenbei jede Ausbildung, die damals auf der Farm angeboten wurde, absolviert, es als Tischler und Maschinenschlosser zum Gesellen gebracht; als Elektrotechniker machte er die Meisterprüfung, als Musikkenner war er Autodidakt.
    Es sei, sagte Freudensprung, wieder ein Tag gewesen, an dem sich niemand gefunden habe, der Karem bei der Reparatur eines Dieselaggregats helfen wollte, denn Karem, noch nicht zwanzig, habe eine autoritäre Art gehabt, bei der Arbeit mit Gehilfen umzugehen, wie Zacharias und Heinrich es im Kapfenberger Stahlwerk nie, auch vom höchsten Vorgesetzten nicht erlebt hätten. Karems Kolleginnen und Kollegen, allesamt auf Saranis Vorschlag hin bereit, freundlich und zuvorkommend miteinander umzugehen, seien mit Karem zwar nach der Arbeit, nicht aber während der Arbeit zurechtgekommen, und so sei wieder einmal Heinrich vom Mittag bis zum Abend neben Karem gestanden und habe, sich selbst verleugnend, Befehl um Befehl entgegengenommen –Schraubenzieher! Zange! Schweißgerät! Schraubenschlüssel! Draht! Nicht diesen, den andern! – und auch ausgeführt.
    Am Abend sei er, fuhr Freudensprung fort, erschöpft auf der Bank vor seinem Haus gesessen, nachdem er in einen Radiorecorder Schuberts Streichquintett geschoben habe, eine Kassette, deren Beschriftung nicht zu entnehmen gewesen sei, wer die Interpreten waren, und die, stellte man das Gerät auf Zimmerlautstärke, im Hintergrund preisgegeben habe, welche Musik auf ihr gespeichert war, ehe sie mit dem Streichquintett überspielt wurde.
    Karem habe sich neben Freudensprung auf die Bank gesetzt und sich einen von Heinrichs Zigarillos angesteckt. Freudensprung habe an einer Studie über jenes Streichquintett zu arbeiten begonnen und erkannt, daß er nicht einmal den ersten Satz des Quintetts verstanden hatte, weshalb er mitten in diesem Satz die Kassette an den Anfang zurückspulte, und das wieder und wieder. Dann habe er den ersten Satz doch zu Ende gehört, sei ins Haus gegangen, habe sich ein Glas Wein eingeschenkt und eine Pfeife

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