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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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fuhr Freudensprung fort, sei um nichts besser. Er habe jeden Text, den er schrieb, als Stufe einer Entwicklung betrachtet, die im Alterswerk den Höhepunkt erreiche. Unsinn! Er sehe schon, wie das todessüchtige Alterswerk zusammen mit jenem toten Lebenswerk beerdigt werde. Nein, sagte Freudensprung, es verhalte sich anders, als die Freunde gedacht hätten: Das Lebenswerk stehe am Beginn, nicht am Ende des Lebens; und das Alterswerk beziehe seine Kraft aus dem Jugendwerk.
    Zacharias, sagte Freudensprung, habe den Nachteil gehabt, durch die Prosperität der Farm über finanzielle Mittel zu verfügen, die es ihm ermöglichten, die erträume Akademie zu bauen. Nun stehe sie da als eine Ansammlung von Häusern: Bibliothek, Vortragssäle, Gästehäuser – eine Provinzuniversität noch ohne verschrobene, provinzielle Wissenschaftler und Intellektuelle, eine Institution, schon tot, ehe sie zu dem von Zacharias gewünschten Leben erblühen konnte.
    Er habe, sagte Freudensprung, den Vorteil gehabt, der keiner sei, nie über mehr Mittel zu verfügen, als er zum Leben brauche, gleichzeitig den Nachteil, der sehr wohl einer sei, sich auf die kostenlose Dichtkunst konzentriert zu haben statt auf die kostspielige Musik – schon die Anschaffung eines Klaviers sei nicht erschwinglich gewesen –, mit dem unvorhersehbaren Effekt, daß die durch keine materiellen Schranken behinderte Konzentration auf die Dichtkunst die Tore zu den anderen Künsten aufgestoßen habe. Keine Schriftstellerin übrigens, kein Schriftsteller, der nicht die Leidenschaft verspüre, auch in den anderen Künsten zu Hause zu sein, wohingegen der Maler, dem Literatur fremd bleibe, der Komponist,den Malerei nicht interessiere, nicht selten zu finden sei.
    Alle Künste, fuhr Freudensprung fort, das habe er so früh begriffen, daß er, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, mit Zacharias gar nicht darüber gesprochen habe, strebten die Darstellung der Welt an, wenn sie das auch selten – in Gestalt des gelungenen Kunstwerks – erreichten. Diese Darstellung der Welt sei mit der realen Welt unauflösbar verbunden, da sie eine Welt zeige, wie sie sein könnte, sein sollte: besser, als sie ist – oder aber schlechter: die Kunst sei übervoll von reaktionären Artefakten, welche man nicht mehr kenne, da sie so schnell vergessen werden, wie sie eil- und dienstfertig hergestellt worden sind.
    Die Baukunst, sagte Freudensprung, er sprach leise und wirkte erschöpft, sei für ihn, der nie die Mittel gehabt habe, auch nur eine Hütte zu bauen, seine vertrauteste Begleiterin gewesen. Schon in dem Haus, das seine Eltern gebaut hatten, sei er davon besessen gewesen, den Raum, der ihm zugedacht war, so leer wie möglich zu halten. Und als er, nach der Trennung von seiner Frau, mit vierzig zum erstenmal allein eine kleine Wohnung von siebzig Quadratmetern bezog, habe er alle nichttragenden Wände, es seien viel zu viele gewesen, niedergerissen. Er atmete schwer.
    Sarani schenkte Freudensprung Wein nach und häufte von einer Platte Spaghetti Bolognese, die inzwischen serviert worden war, eine große Portion auf Freudensprungs Teller, in der Hoffnung, er könne ihn auf diese Weise zum Weiterreden bewegen, denn die Baukunst war Saranis Obsession; daß auch Freudensprung, der zwar von seinem Architektenfreund Loser oft und schwärmerischgesprochen hatte, von dieser Leidenschaft besessen war, hatte Sarani, der über den Freund alles zu wissen glaubte, nicht gewußt.
    Statt zu sprechen, aß Freudensprung bedächtig, doch ohne einzuhalten, bis der Teller leer war, danach trank er langsam ein Glas Wein und noch eins, als sei das für die Verdauung unerläßlich. Das machte Sarani Appetit, und er holte sich ebenfalls eine Portion Spaghetti von der Platte. Nach Wein gelüstete ihn nicht mehr.
    Sarani bat den Freund, seine Ausführungen über Architektur zu präzisieren. Architektur, sagte Freudensprung, interessiere ihn nicht, er spreche von Baukunst, nein, vom Ausgangspunkt der Baukunst, dem Raum. Für jemanden wie ihn, der sich Jahr um Jahr in ein und demselben Raum aufhalte, weil er dort nicht nur lebe, sondern auch arbeite, werde der Raum notgedrungen zum Problem. Glücklicherweise sei dieses nicht schwer zu lösen.
    Ein leerer Raum, sagte Freudensprung, sei immer schön. Er werde entstellt, wenn man ihm das Licht nehme, die Wände und die Decke nicht weiß oder hell, sondern dunkel, das Licht absorbierend, ausmale und den Boden, Widerschein des Plafonds, nicht aus

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