Konfessor - 17
Weg.
Jenseits dieser stillen, schweigenden Masse, im Lager selbst, ging es zu dieser späten Stunde überaus geräuschvoll zu. Hinter ihr waren die Geräusche vom Bau der Rampe zu hören, von rollenden Wagen, von scharrenden und herabpolternden Felsbrocken, hörte man die kollektiven Rufe von an schweren Tauen ziehenden Männern. Überall im Lager ringsumher trugen die Stimmen lachender, streitender und sich unterhaltender Soldaten durch die kalte Nachtluft. Lauthals gebrüllte Befehle übertönten das rhythmische Klingen der Schmiedehämmer. Auch konnte sie das ferne Johlen der Menge hören, die die selbst jetzt, zu dieser späten Stunde, noch andauernden Ja’La-Partien bejubelte. Gelegentlich erhob sich ein kollektiver Aufschrei des Unmuts in die nächtliche Luft, nur um sogleich von wilden Anfeuerungsruf en übertönt zu werden. Ab und zu wurde ein Sturmlauf mit dem Broc von anfeuernden Rufen für eine bestimmte Mannschaft begleitet. Als sie erst eine Koppel voller mächtiger Streitrösser und kurz darauf eine Reihe leerer Vorratswagen passierte, kamen die Kommandozelte in Sicht. Unter dem sternenklaren Himmel flatterten Fähnchen an den Zelten in der kalten Brise. Beim Anblick des größten unter ihnen, des Zelts des Kaisers, hätte sie fast der Mut verlassen. Am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen - doch diese Möglichkeit war ihr für immer verwehrt. Dies war der Ort, an dem ihr ganzes Leben sie einholte, der Ort, an dem alles endete.
Statt dem Unvermeidlichen aus dem Weg zu gehen, marschierte sie geradewegs darauf zu, ohne ihre Schritte am ersten der Kontrollpunkte des äußeren Schutzrings um die Kommandozone auch nur abzubremsen. Die hünenhaften Kerle, die dort Wache standen, beäugten sie, als sie näher kam, und musterten auch den Trupp der hinter ihr folgenden persönlichen Leibgarde des Kaisers. Sie war froh, dass sie ein schwarzes Kleid trug, denn in einem solchen hatten diese Männer sie auch früher stets gesehen. Sie wollte wiedererkannt werden, gleichwohl stellte sie mit einem kurzen Funkeln ihrer Augen sicher, dass niemand sie anzusprechen wagte.
Je mehr sie sich dem Zentrum dieses umzäunten Bereichs näherte, desto größer das Vertrauen, das die dort Wache haltenden Soldaten genossen.
Jeder Schutzring um die Kommandozelte bestand aus einer gesonderten Einheit mit eigenen Methoden und einer eigenen Ausrüstung, sie alle wollten diejenigen sein, die verhinderten, dass irgendeine Gefahr bis zum Kaiser vordrang. Zudem hatte jeder Ring eine eigene Prozedur für das Betreten seines Zuständigkeitsbereichs. Nicci ignorierte sie alle. Sie war die Herrin des Todes, die Sklavenkönigin des Kaisers. Sie machte für niemanden Halt, und niemand wagte sie wegen einer Losung anzusprechen.
Jagangs Zelt stand ein wenig zurückversetzt inmitten einer Gruppe größerer Zelte, war jedoch, anders als alle anderen Zelte im Lager, von reichlich Platz umgeben. Die auf dem Gelände patrouillierenden Schwestern wie auch die mit der Gabe gesegneten jungen Männer, denen sie begegnete, bemerkten sie, schlugen jedoch sofort die Augen nieder, als Nicci sie mit ihrem stechenden Blick fixierte. Auch die Wachen hielten ein Auge auf sie, waren aber bemüht, dabei weniger offensichtlich vorzugehen.
Es war ermutigend, dass keine dieser Personen in ihr etwas anderes zu sehen schien, als bei ihrem letzten Aufenthalt im Lager. Dann bot sich ihr ein merkwürdiges Bild. Außer dem Kader der persönlichen Leibgarde Jagangs, der zu beiden Seiten der schweren Vorhänge vor seinem Zelteingang Aufstellung genommen hatte, gab es noch andere Soldaten, reguläre Truppen, die auf und ab gehend ebenfalls das Zelt zu bewachen schienen. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum in aller Welt gewöhnliche Soldaten sich im Umfeld des Kaisers aufhalten, noch viel weniger sein Zelt bewachen sollten. Früher wären solche Männer innerhalb der Kommandozone niemals geduldet worden. Sie ignorierte diese Merkwürdigkeit und hielt geradewegs auf den schweren Vorhang zu. Die beiden Schwestern, die sich schon vorher hatten leicht zurückfallen lassen, folgten ihr nur widerstrebend. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Niemand, erst recht keine Frau, war erpicht darauf, Jagangs privates Heiligtum zu betreten, denn obschon er sich gegenüber seinen vertrauten Offizieren mitunter freundlich zeigte, ließ er gegenüber anderen niemals Nachsicht walten. Zwei kräftige Kerle, jeder mit einer Lanze in der Hand, die Gesichter mit animalistischen
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