Konfessor - 17
Tätowierungen gezeichnet, schlugen den Vorhang zurück. Die kleinen Silberscheiben am Lammfell gaben ein leises metallisches Klingeln von sich, welches dem Kaiser verriet, dass jemand im Begriff war, sein Zelt zu betreten. Obwohl Nicci die beiden Männer wiedererkannte, würdigte sie sie keines Blicks, als sie ihre Röcke raffte, um über die Schwelle und in das dahinterliegende Dunkel zu treten.
Im Innern waren Sklaven mit dem Abräumen von Tellern und Servierplatten vom kaiserlichen Tisch beschäftigt. Der Essensgeruch erinnerte Nicci daran, dass sie nichts gegessen hatte, doch das Angstgefühl in ihrer Magengegend überdeckte ihren Hunger. Dutzende von Kerzen verliehen dem Zeltinnern eine spärlich ausgeleuchtete Atmosphäre dumpfer Gemütlichkeit. Dicke Teppiche bedeckten den Fußboden, um zu verhindern, dass die Schritte der ihrer Arbeit nachgehenden Sklaven den Kaiser störten. Einige der gesenkten Hauptes umherhuschenden Sklaven waren neu, andere erkannte sie wieder. Offenbar hatte Jagang seine Mahlzeit bereits beendet, denn er befand sich nicht in diesem äußeren Bereich. Unterdessen waren die beiden Schwestern hinter ihr ins Zelt getreten und begaben sich zögernd hinüber in die Schatten vor der gegenüberliegenden Zeltwand. Offenbar war ihnen ein weiteres Vordringen nicht gestattet, und im Vorraum wollten sie offenbar so weit wie möglich auf Distanz bleiben.
Nicci wusste genau, wo sich Jagang aufhielt, also durchquerte sie den Raum. Die Sklaven machten ihr eilfertig Platz. Vor der Öffnung zu seinem Schlafgemach hob sie den Vorhang an und schlüpfte hinein. Hier endlich sah sie ihn. Er saß, ihr den Rücken zugekehrt, auf der gegenüberliegenden Seite des feudalen mit goldfarbener Seide überzogenen Betts. Auf seinem kahlrasierten Schädel spiegelten sich Lichtpunkte der Kerzen und Öllampen. Sein Stiernacken ging in breite, kräftige Schultern über. Bekleidet war er mit einer Weste aus Lammwolle, und seine mächtigen Arme waren nackt. Er war damit beschäftigt, in einem Buch zu blättern und gedankenversunken den Text zu überfliegen. Trotz seines Hangs zu plötzlichen Gewaltausbrüchen war er auf gewissen Gebieten ein durchaus intelligenter Mann, der das in Büchern enthaltene oder aus dem Verstand derer, von denen er Besitz ergriff, gewonnene Wissen zu schätzen wusste. Gefühlsmäßig von der Richtigkeit seines Glaubens überzeugt, machte er sich nie die Mühe, diesen mit Vernunft zu hinterfragen. Vielmehr betrachtete er diese Art des Hinterfragens als Ketzerei und bemühte sich stattdessen, Wissen aus entlegenen Bereichen anzuhäufen. Er war gerne gut gewappnet - mit jeder Art von Waffe. Irgendetwas erregte Niccis Aufmerksamkeit. Ihr Blick wanderte nach links.
In diesem Moment sah sie sie. Sie lag seitlich auf dem Fußboden, auf einen Arm gestützt. Sie war das nobelste, bezauberndste Geschöpf, das Nicci je gesehen hatte.
Sofort wusste sie ohne jeden Zweifel, wer diese Frau war: Kahlan, die Gemahlin Richards.
Ihre Blicke begegneten sich. Die Intelligenz, die Erhabenheit und Lebendigkeit ihrer grünen Augen nahmen sie vollkommen gefangen. Diese Frau war Richard ebenbürtig.
Ann hatte sich getäuscht. Diese Frau war die Einzige, der von Rechts wegen ein Platz an seiner Seite gebührte.
23
Nicci sah, dass sie einen Rada’Han um den Hals trug. Ihr Blick verriet, dass ihr Niccis Halsring ebenfalls nicht verborgen geblieben war. Nicci vermutete, dass diesem Blick nicht viel entging. Während sie einander anstarrten, bemächtigte sich eine gewisse Zö- gerlichkeit Kahlans Augen, der Geist einer verhaltenen Ermutigung, geboren aus der Erkenntnis, dass Nicci sie tatsächlich sehen konnte. Sofort wurden sie auf mehr als eine Art zu Schwestern, zu Frauen, die mehr gemein hatten als nur einen Ring um ihren Hals. Wie einsam und verloren musste man sich fühlen, wenn man unsichtbar und vergessen im Mittelpunkt eines solch bösartigen Bannes vor sich hin vegetierte.
Unsichtbar jedenfalls für alle außer den Schwestern der Finsternis und offenbar Jagang. Es musste ihr Hoffnung machen, dass noch jemand anderes sie sehen konnte, selbst wenn es eine Fremde war. Auch ohne ihre erlesene Schönheit war dieser Frau eine Präsenz eigen, eine wache Bewusstheit, die Nicci augenblicklich an die von Richard in Stein gehauene Statue erinnerte. Diese Statue, mit Namen Seele, hatte Kahlan nicht ähnlich sehen, sondern ihren unbeugsamen Willen, ihren Mut wiedergeben sollen. Und genau das hatte sie getan, auf eine
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