Konfessor - 17
Gefangene Jagangs aber selbst durch die Spaße des Raben nicht aufzuheitern gewesen, denn sie hatte in einem Zustand ständiger Angst gelebt.
In den Ecken der Bleiverglasung sammelten sich die ersten Schneeflocken. Der tief schwarze Rabe war vor dem Hintergrund des nächtlichen Himmels nahezu unsichtbar. Manchmal waren nur sein Schnabel und seine Augen zu erkennen, in denen sich der Schein der Fackeln widerspiegelte, was ihm das Aussehen einer gespenstischen, sie beobachtenden Erscheinung verlieh.
Ab und zu neigte er den Kopf, so als beurteile auch er kritisch Richards aufreibendes Werk. Schlug er manchmal zur Unterstützung seines heiseren Krächzens mit den Flügeln, spiegelte sich das zwischen den ab und zu vorbeieilenden Wolken sichtbar werdende Mondlicht auf seinem schwarz glänzenden Gefieder.
Geduldig wartete der Rabe darauf, seine Rolle zu übernehmen. »Bist du so weit?«, fragte Richard, immer noch darauf konzentriert, eine Linie in den Zauberersand zu zeichnen.
Jillian nickte nervös. Auf diesen Moment hatte sie ihr ganzes Leben gewartet.
Sie wirkte sehr ernst, wie sie, umgeben von Bannen, in der Mitte der für sie im Zauberersand freigeräumten Fläche kauerte. Es war die Aufgabe, für die ihr Großvater sie auserwählt und ausgebildet hatte. Sie war die Knochenpriesterin, deren Aufgabe es war, Träume zum Schutz ihres Volkes zu erzeugen.
Der Fackelring im Sand in der Mitte der Rasenfläche verströmte ein leises Zischen. Träge tanzten die Flammen in der totenstillen Luft. Der dunkle Streifen quer über Julians Gesicht, über ihren kupferfarbenen Augen, würde sie vor bösen Geistern beschützen. Als Knochenpriesterin war sie jetzt Richards Gehilfin, dem es kraft seines Amtes als Lord Rahl bestimmt war, ihr beim Erzeugen der Träume zu helfen. Es war eine uralte Verbindung zwischen ihren beiden Völkern zu ihrer beider Schutz. Doch was sie hier wirkten, waren eigentlich gar keine Träume.
Es waren Albträume.
Julians Volk stammte aus Caska, wo man sie zur Geschichtenerzählerin ausgebildet hatte, eine Person, die wegen ihrer Kenntnis von den alten Zeiten und des Vermächtnisses ihres Volkes in hohem Ansehen stand. Ihr Großvater war ihr noch lebender Vorgänger, der ihr das Wissen und die Geschichten aus alter Zeit beigebracht hatte. Eines Tages würde dieses Erbe auf sie übergehen.
Ihre Vorfahren, ein friedfertiges Volk, das sich, um Konflikte zu vermeiden, in einer von niemandem sonst beanspruchten Ödnis angesiedelt hatte, hatte die Träume einst zur Abwendung möglicher Gefahren gewirkt. Wie jetzt, hatten sie auf diese Weise die aus der Alten Welt im Süden einfallenden Horden zurückwerfen wollen. Allerdings waren sie in dem Großen Krieg unterlegen und um ein Haar ausgelöscht worden.
Richard und Nicci hatten den Geschichten, allem, was Jillian über diese alten Zeiten zu berichten wusste, aufmerksam gelauscht, bis er sich schließlich selbst ein Bild von den damaligen Geschehnissen machen konnte.
Julians Vorfahren waren größtenteils umgebracht worden, einen Teil jedoch hatte man gefangen genommen und den Zauberern aus der Alten Welt übergeben, die es auf ihre einzigartigen Talente abgesehen hatten. Sie wurden von ihnen als Rohmaterial bei der Erschaffung menschlicher Waffen missbraucht, den sogenannten Traumwandlern, Männer, die nicht nur Träume wirken, sondern in sie eindringen konnten. Derzeit war Jagang das einzige noch lebende Exemplar, die lebende Verbindung zum Großen Krieg vor dreitausend Jahren, jenem Krieg, der nun erneut entflammt war. Nach Richards Erkenntnissen war er in die Welt hineingeboren worden, weil einst ein feindlicher Spion in den Tempel der Winde eingedrungen war und sich an der dorthin verbannten Magie zu schaffen gemacht hatte. Zauberer Baraccus hatte eine Lösung gefunden, indem er sicherstellte, dass Richard mit beiden Seiten der Gabe geboren wurde, um dieser Gefahr begegnen zu können. Julians Volk und Jagang hatten die gleichen Vorfahren, auch sie waren einst Traumwirker wie Jillian gewesen.
Und nun würde Jillian erneut ihrer uralten Berufung als Knochenpriesterin entsprechend Träume wirken, um die Eindringlinge zurückzuwerfen … mit einem Unterschied. Damals waren ihre Vorfahren gescheitert. Was immer Jillian aus den alten Geschichten wusste, stets war darin vom Wirken von Träumen die Rede.
Richard vermutete, dass sie womöglich deswegen gescheitert waren. Stattdessen beabsichtigte er nun, Albträume zu wirken. »Hast du die Albträume in
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