Konfessor - 17
Erinnerung hatte. Als sie merkte, dass der Mond über den Bäumen stand, sah sie zu Samuel hinüber. Er hatte sein Mahl längst beendet und polierte sein Schwert, das in seinem Schoß lag.
»Samuel.« Er blickte auf, wie aus einer Trance gerissen. »Samuel, ich muss wissen, wohin wir reiten.«
»Zu einem Ort, wo wir sicher sind.«
»Das hast du schon einmal gesagt. Wenn ich dich weiter begleiten so-« »Du musst! Du musst mit mir kommen! Bitte!« Sein plötzlicher Gefühlsausbruch verblüffte sie. Mit seinen weit aufgerissenen runden Augen schien er von echter Panik ergriffen. »Warum?« »Weil ich uns in Sicherheit bringen werde.« »Vielleicht kann ich das ja selbst.«
»Aber ich kann dich zu jemandem bringen, der dir helfen kann, deine Erinnerung wiederzuerlangen.«
Das ließ sie aufhorchen. Sie richtete sich auf. »Du kennst jemanden, der das kann?« Heftiges Nicken. »Wen?«
»Einen Freund.«
»Woher soll ich wissen, dass du mir die Wahrheit sagst?« Samuel blickte auf die blinkende Waffe in seinem Schoß und zeichnete ihren Schwung bewundernd mit dem Finger nach. »Ich bin der Sucher der Wahrheit. Du stehst unter einem Bann, der deine Erinnerung gelöscht hat. Ich habe einen Freund, der dir helfen kann, deine Vergangenheit wiederzufinden, dich selbst.« Die ebenso plötzliche wie unerwartete Aussicht, ihr Erinnerungsvermögen wiederzuerlangen, ließ Kahlans Herz schneller schlagen. Alle anderen Fragen schienen plötzlich bedeutungslos. Samuel hatte ihr nie gesagt, dass er der Sucher der Wahrheit sei, sie wusste auch gar nicht, was das war, hatte allerdings das Wort WAHR- HEIT mit Golddraht in den Silberdraht des Heftes eingeflochten gesehen. Es schien ein merkwürdiger Titel für jemanden, der nur äußerst widerwillig irgendwelche Informationen preisgab.
»Wann werde ich besagter Person begegnen?« »Bald. Sie ist ganz nah.« »Woher weißt du das?«
Samuel blickte auf und starrte sie aus seinen gelben Augen an, die in der Dunkelheit wie Zwillingslampen wirkten. »Ich kann sie spüren. Wenn du deine Vergangenheit wiederfinden willst, musst du bleiben.«
Der mit all diesen seltsamen Symbolen bemalte Richard kam ihr in den Sinn - das war die Vergangenheit, die sie eigentlich interessierte. Sie wollte wissen, was sie mit diesem Mann mit den grauen Augen verband. Richard wusste, es war seine einzige Chance. Eine nie zuvor gekannte Dunkelheit bedrängte ihn von allen Seiten, es war ein erstickendes, erschreckendes, erdrückendes Gefühl.
Denna versuchte ihn zu schützen, doch nicht einmal sie besaß die Macht, ein solches Wesen aufzuhalten. Diese Macht besaß niemand. »Das kannst du nicht tun«, erklang Dennas Flüsterstimme in seinem Verstand. »Dies ist ein Ort des Nichts. Das kannst du nicht tun.« Er wusste, es war seine einzige Chance. »Ich muss es versuchen.« » Wenn du das tust, wirst du diesem Ort schutzlos ausgeliefert sein. Du
wirst allen Schutzes beraubt werden und nicht länger hierbleiben
können.«
»Ich habe getan, was ich tun musste.«
»Aber du wirst den Weg zurück nicht finden können.«
Richard stieß einen Schmerzensschrei aus. Die schützende Konstruktion der von ihm geschaffenen Bannformen stand kurz davor, in Fetzen gerissen zu werden, so dass die alles umhüllende Schwärze hereinsickerte und ihm das Leben aus dem Leib presste. Dieser Ort duldete nichts Lebendiges, es war ein Ort, der existierte, um das Leben in die dunkle Ewigkeit des Nichts zu zerren.
Die Bestie war ihm in die Leere der Unterwelt gefolgt und hielt ihn nun in ihrem ureigenen Reich gefangen.
Längst galt seine Sorge nicht mehr dem Wiederfinden des Rückwegs, diese Möglichkeit war ihm bereits verwehrt. Seine Verbindung zum Eingangsportal war abgerissen, unterbrochen von der Bestie, als sie das Geflecht aus schützenden Bannen fortgerissen hatte. Eine Rückkehr in den Garten des Lebens war ausgeschlossen, ebenso die Möglichkeit, hier, inmitten des Nichts, irgendetwas zu finden. Das Einzige, was jetzt noch zählte, war zu entkommen. Die Bestie war aus subtraktiver Magie geschaffen, und sie befand sich in einer subtraktiven Welt. Richard saß in ihrem Bau in der Falle. An diesem Ort war keine Hilfe zu erwarten. Gegen ein Geschöpf dieser Art, das sich in seinem ureigenen Element befand, vermochte Denna nichts auszurichten.
Selbst der Weg zurück in den Saal des Himmels, auf dessen steinerner Decke, einem Fenster gleich, das Firmament abgebildet war, war ihm endgültig verwehrt. Eine Ewigkeit schien das
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