Konfessor - 17
Finsternis wusste sie vielleicht besser als jeder andere, wie real diese Gefahr war. Sie wusste, mit welcher Inbrunst die Anhänger der Imperialen Ordnung ihren Glauben vertraten. Er bestimmte ihr ganzes Sein, weshalb sie mehr als bereit waren, für ihn zu sterben. Schließlich war der Tod ihr Ziel, hatte man ihnen doch ein ruhmreiches Leben im Jenseits versprochen. Dieses Leben, so ihre Überzeugung, war nichts als eine Prüfung, ein Mittel für den Eintritt in die Ewigkeit. Verlangte die Imperiale Ordnung ihren Tod, würden sie sterben. Verlangte sie den Tod der Ungläubigen, würden sie die Welt in ein Meer aus Blut verwandeln.
Nicci war sich der Folgen für jeden Einzelnen sehr wohl bewusst, sollte die Imperiale Ordnung diesen Krieg gewinnen. Nicht die Armee würde ihnen die tausendjährige Finsternis bescheren, sondern die Ideen, aus denen diese Armee hervorgegangen war. Sie würden die Welt in einen lebendigen Albtraum verwandeln.
»Nicci, es gibt da etwas, das Ihr wissen müsst«, brach Nathan das beklommene Schweigen.
Sie verschränkte die Arme und sah kurz zu dem Propheten hinüber.
»Und das wäre, Nathan?«
»Wir haben hier, im Palast des Volkes, Bücher der Prophezeiungen studiert. Wie in allen dieser Schriften überall, hat der Feuerkettenbann bewirkt, dass ganze Abschnitte aus ihnen, die offenbar Kahlan betreffen, getilgt wurden. Dennoch gibt es noch ein paar nützliche Hinweise, die vom Feuerkettenbann bislang verschont geblieben sind. Manche dieser Schriften waren neu für mich und haben mir geholfen, Verbindungen zwischen Dingen herzustellen, über die ich in der Vergangenheit gelesen habe und die mir geholfen haben, die größeren Zusammenhänge zu erkennen.«
Eine Aussage, die sie angesichts des Umstandes, dass der Feuerkettenbann große Teile ihres Erinnerungsvermögens gelöscht hatte, bezweifelte. Doch statt dies offen auszusprechen, wartete sie schweigend, während der kalte Wind ihr Haar zauste, und beobachtete, wie Nathan den Blick über die Streitmacht schweifen ließ, die sich unten über die Azrith-Ebene ausbreitete.
»Es gibt in den Prophezeiungen eine Stelle, eine Kardinalwurzel, die zu einer entscheidenden Gabelung führt«, fuhr er schließlich fort. »Jenseits dieser Gabelung gibt es auf einem der Zweige einen Ort, der in den Prophezeiungen als die >große Leere< bezeichnet wird.« Nicci versuchte sich zu erinnern. Um diesen Teil der Prophezeiungen hatten sich stets jede Menge Spekulationen gerankt. »Davon habe ich gehört«, meinte sie. »Habt Ihr endlich herausgefunden, was es damit auf sich hat?«
»Einer der Zweige hinter dieser aufschlussreichen Gabelung führt in einen Bereich mit weiteren Verzweigungen und Nebensprossen, und jenseits davon zu weiteren Gabelungen.« Er machte eine beiläufige Handbewegung, so als wollte er auf Dinge hinweisen, die offenbar nur er zu sehen vermochte. »Ich konnte nachweisen, dass einige Bücher mit Prophezeiungen existieren, die sich mit jenseits dieses Zweiges liegenden Begebenheiten befassen. Ich bin sicher, eine gemeinsame Suche würde noch weitere zutage fördern. Oder anders ausgedrückt, hinter dieser Gabelung liegt die Welt, wie wir sie kennen.« Er klopfte mit der Hand auf das Geländer und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. »Auf dem anderen Zweig dieses seherischen Sprosses liegt nur die große Leere. Uber das, was danach folgt, existieren keine prophetischen Schriften. Man könnte sagen, auf diesem Zweig der Prophezeiungen gibt es nichts zu sehen - weder Magie noch die uns bekannte Welt und demnach auch keine Prophezeiungen, die diese erklären könnten.«
Er sah sie kurz an. »Das ist die Welt, wie die Imperiale Ordnung sie anstrebt. Wenn sie uns diesen Zweig hinabführen, wird die Menschheit für alle Zeiten in die unbekannte Welt der großen Leere hinabsteigen, einen Ort, an dem es keine Magie und auch keine Prophezeiungen mehr gibt.
Was nach Ansicht einiger meiner Vorgänger nur bedeuten kann, dass sich mit dieser großen Leere das Ende allen Lebens ankündigt.« Nicci hatte es die Sprache verschlagen. Da es ihrer Meinung nach im Falle eines Sieges der Imperialen Ordnung nichts als Finsternis geben konnte, war dies allerdings keine allzu große Überraschung für sie. »Dank der hier vorliegenden Schriften - sowie der jüngsten Ereignisse - ist es mir gelungen, unsere Position auf diesem prophetischen Spross zu bestimmen.«
Ihr Blick zuckte zu dem Propheten. »Seid Ihr sicher?« Er wies mit der Hand auf die unter
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