Konigs-Schiessen
Muschel.
Toppe zündete sich erst einmal eine Zigarette an.
»Hallo, Herr Ackermann. Wie geht’s denn?«
»Ach, et muß, et muß. Am liebsten gut, sag’ ich immer. Ich wollt’ nur ma’ ebkes hören, wie et denn bei euch so is’, Herr Toppe.«
»Danke, man lebt bescheiden.«
»Und ’n neuer Fall, hab’ ich mir sagen lassen.«
»Ja. Aber woher wissen Sie das nun wieder?«
»Och, ich hab’ öfters mit den Jungs telefoniert, wenn et schon ma’ mit de Leitung geklappt hat. Die Kollegen Zuhause, mein’ ich. Man is’ ja hier doch komplett abgeschnitten von de’ Zivilisation.«
Toppe lachte. »Ja?«
»Mann, o Mann, ich kann Ihnen sagen! Die sind hier vielleicht hinterm Mond. In jeder Beziehung, dat können Sie mir glauben, in jeder Beziehung. Zustände! Wie im alten Rom. Ach, wat sag’ ich, wie in Sodom und Gomorrha. Aber wenigstens gibt et den Stasi nich’ mehr, kann man ja froh drüber sein.«
»Nein, den haben wir jetzt hier bei uns.«
Ackermann wieherte ausdauernd. »Ja, hab’ ich auch schon von gehört. Also, der Spitzname – echt klasse! Könnt’ glatt von mir sein. Aber eins sag’ ich Ihnen, Herr Toppe, wenn ich zurück bin hier aus de Zone, dann mach’ ich bei Ihnen mit.«
Ackermann gehörte zum Dezernat Einbruch und Diebstahl, aber der frühere Chef hatte ihn manchmal Toppes Abteilung zugewiesen, wenn Not am Mann gewesen war und Leute gebraucht wurden. Ackermann war eigentlich unmöglich, immer zu laut, zu witzig, zu kumpelhaft. Er war wahrhaftig nicht mit großen Geistesgaben gesegnet, aber er war ein zuverlässiger und unentwegter Arbeiter. Als solchen schätzte ihn Toppe, und er hielt ihn auch, im Gegensatz zu den anderen vom 1. K. für erfrischend bodenständig und normal. Es war typisch, daß er als echter Niederrheiner – worauf er überaus stolz war – schon aus Heimweh einfach anrief, um ein Schwätzchen zu halten.
»Ich hoffe ja, daß wir den Fall längst geklärt haben, wenn Sie zurückkommen.«
»Meinen Sie? Haben Sie schon eine heiße Spur? Erzählen Sie doch mal.«
» Ach, Ackermann. Tut mir leid, aber ich bin wirklich ziemlich unter Zeitdruck im Moment.«
»Klar, Chef, klar. Keine Frage. Kann ich mir denken. Muß auch jetz’ wieder in mein Seminar. Den Jungs hier ma’ zeigen, wo der Hase lang läuft nach dem 3. Oktober. Aber, interessieren tut einen das ja doch, so ein Fall. Zumal der ja quasi bei uns um die Ecke passiert is’. Den Hein Verhoeven hab’ ich ja gut gekannt. Der fährt ja bei uns immer das Brot aus. Nee, nee, ich sag’ ja, die Wege des Herrn sind wundersam. Ausgerechnet der Hein Verhoeven.. Also, Chef, nix für ungut, aber wenn ich irgendwie helfen kann., also hätt’ ich ja schon ein Interesse dran. Sie wissen doch, Mord ist ja sozusagen mein Hobby.«
»Meins überhaupt nicht«, murmelte Toppe, als er auflegte und fragte sich, wie er, Teufel nochmal, in diesen Beruf gerutscht war.
13
Dieses Mal versuchte Toppe es erst gar nicht an der Vordertür, sondern winkte Astrid, ihm um die Hausecke zur Küche zu folgen.
Es war zehn nach zwölf, und die ganze Familie Verhoeven saß beim Mittagessen.
»Entschuldigen Sie, daß wir beim Essen stören«, grüßte Toppe. »Wir warten gern draußen, bis Sie fertig sind.«
»Nein, nein«, Ingeborg stand zögernd auf und schaute zwischen ihrem Schwiegervater und ihrem Mann hin und her.
»Nehmen Sie Platz.«
Am Kopfende des Tisches saß Wilhelm Verhoeven. Er nickte nur kurz und aß dann weiter.
Neben ihm versuchte seine Frau, sich mit einem Löffel einen kleistrigen Brei in den Mund zu schaufeln.
Ein Blick auf die Teller der anderen zeigte, daß es sich um zerquetschte Kohlrabi und Kartoffeln handeln mußte. Hendrina hatte ein großes weißes Tuch um den Hals gebunden, das ihr bis über den Schoß reichte.
»Sie sind dann wohl der Kommissar aus Kleve.«
Peter Verhoeven legte die Gabel aus der Hand und sah ihn herausfordernd an.
»Richtig, Toppe ist mein Name. Und dies ist meine Kollegin, Frau Steendijk.« »Kollegin?« Peter Verhoevens Blick wanderte klebrig über Astrids Körper. »Aha. Na, das sind Arbeitsbedingungen!«
»Sie sind sicher Peter Verhoeven, nicht wahr?«
»Ganz recht. Und was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches?«
Er war ein großer, breiter Mann mit schwarzem, dicken Haar und braunen, unruhigen Augen. Sein Mund war ungeduldig und vorwurfsvoll; trotzdem war er alles in allem nicht unattraktiv. Neben ihm wirkte seine Frau unscheinbar und ältlich, obwohl er sicher auch schon um die
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