Konigs-Schiessen
drehte sich um und sah sie ausdruckslos an. »Das mußt du selbst entscheiden.«
Als sie schon im Parka war, öffnete sie noch einmal die Zimmertür und rief: »Meine Zahnbürste kannst du behalten.«
Aber gegen Jimmy Hendrix’,Voodoo Chile’ über Kopfhörer hatte sie keine Chance.
Für Freitagmorgen hatte der Chef eine Pressekonferenz angesetzt. Toppe mied, wenn es irgend möglich war, diese Großveranstaltungen, bei denen er sich immer unwohl fühlte und auch selten den richtigen Ton fand. Sein früherer Chef hatte das sehr gut zu kaschieren gewußt, denn er war ein Meister der leeren aber effektvollen Floskeln gewesen. Stanislaus Siegelkötter aber ließ Toppe allein im Regen stehen; er hielt sich mit steinernem Gesicht, in dem höchstens mal ein Mundwinkel zuckte, im Hintergrund und beobachtete, wie Toppe linkisch seine einsilbigen Antworten gab.
Zwar sorgte Astrid für ein paar optische Kilometer, und einige Reporter richteten ihre Fragen bevorzugt an sie, aber der Gesamteindruck, den die Presse gewinnen mußte, war doch der, daß die Kripo ungeschickt und halbherzig im Trüben fischte.
Im Anschluß an diesen Spießrutenlauf zitierte Siegelkötter Toppe zu sich.
Kalt und geschäftsmäßig saß er in seinem schwarzledernen Drehsessel und ließ Toppe wie einen dummen Jungen vor dem Schreibtisch stehen.
»Ich bin mit Ihrer Arbeitsweise absolut unzufrieden, Herr Toppe.«
»Das tut mir leid, Herr Siegelkötter, aber wenn Sie die Berichte gelesen haben, dürften Sie wissen, wie schwierig dieser Fall ist.«
»Berichte nennen Sie das?« Er schlug eine der Akten auf seinem Schreibtisch auf. »Ich habe mir Ihre Papiere kommen lassen und festgestellt, daß Sie bisher durchaus erfolgreich gearbeitet haben. Ihre Beurteilungen sind ausnahmslos gut. Um so mehr erstaunt mich Ihre momentane Arbeitsweise.«
Mit einem Knall schloß er den Aktendeckel.
»Machen wir’s kurz: Ich erwarte von Ihnen effizientere Untersuchungen und korrekte, detaillierte Berichte, die pünktlich auf meinem Schreibtisch liegen.«
Toppe verzog keine Miene.
»Und noch etwas: Frau von Steendijk wird Ihnen ab heute nur noch begrenzt zur Verfügung stehen. Ich benötige sie dringend hier im Präsidium für die anfallenden Arbeiten. Ein Hauptkommissar mit Ihren Erfahrungen dürfte mit diesem, meiner Ansicht nach übrigens wenig komplizierten Fall, auch allein keine Schwierigkeiten haben.«
Toppe starrte auf den Feininger-Druck, der hinter Siegelkötters Schreibtisch an der Wand hing.
»Ich denke, wir haben uns verstanden, Herr Toppe.«
»Ich Sie durchaus, Herr Siegelkötter.«
»Nun, dann wäre das zunächst alles. Schicken Sie mir bitte Frau von Steendijk.«
15
Hein Verhoevens Beerdigungsnachfeier im Schützenhaus war so klassisch niederrheinisch, daß Toppe sich die ganze Zeit vorkam, als säße er in einem Stück der katholischen Laienspielschar Materborn.
Es gab Streusel- und Zuckerkuchen, Schwarzbrot mit Goudakäse, und die Männer tranken zum Kaffee Doppelkorn und rauchten Handelsgold 80er Fehlfarben. Die Tische waren in Hufeisenform aufgestellt; man saß und redete gedämpft und lachte schrill. Die Gesprächsfetzen, die er mitbekam, erinnerten ihn so sehr an Hüsch, daß er es kaum glauben konnte.
»Inne Kerk könnt’ man gut merken, dadet jetz’ doch Herbst wird.«
»Nimm dich doch noch ’n Stücksken mit für unterwechs. Du muß ja noch nach Rheinhausen hin.«
»Die Mia, also wie die Frau sich hält! Wie ’ne Eins.«
»Hast du die Trappmann gesehen? Hut mit Schleier! Als wenn die zur Familie gehörte.«
»Wo die Bimmener dat Lied vom Kameraden gespielt haben, dat ging einem ja doch anne Nieren.«
»Mitten aus dem Leben gerissen., hader wirklich schön gemacht, unser Pastor.«
Toppe redete mit niemandem, nickte nur ab und zu, wenn ihm einer freundlich zuprostete.
Auf der Beerdigung waren sicher mehr als dreihundert Leute gewesen; die meisten hatten in der Kirche keinen Sitzplatz mehr gekriegt. Toppe hatte sich so unauffällig wie möglich ganz nach hinten an die Tür gestellt, aber alle hatten ihn sofort bemerkt und mehr oder weniger nett gegrüßt. Bongartz, der im Dienst war und deshalb Uniform trug, hatte sich kurz erkundigt, wie weit er denn gekommen sei. Und dann hatte ihn Klaus Verhoeven beim Hinausgehen zur Nachfeier eingeladen. Mia Verhoeven, die neben ihrem Sohn an der Stirnseite des Hufeisens saß, hielt sich wirklich gut. Sie war ein wenig bläßlich, aber sie hatte am Grab nicht geweint und alle
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