Konigs-Schiessen
und kniff suchend die Augen zusammen. Nur die Lampe am Eingang war eingeschaltet, und auf dem Altar brannten zwei Kerzen.
Sie hockten in der ersten Bank. Der Mann, der außen saß, sprang sofort auf und kam ihnen entgegen geeilt.
»Tebartz«, sagte er. »Ich bin der Küster.«
»Toppe. Könnten Sie wohl etwas mehr Licht machen?«
»Aber selbstverständlich.« Er ging zur Tür.
»Und dann können Sie sich schon mal mit meiner Kollegin hier unterhalten.«
Astrid setzte sich mit ihm in die letzte Bank. Toppe hörte sie murmeln. Er ging auf die Frau und den alten Mann zu, die beide unbeweglich nach vorn starrten.
»Guten Morgen«, sagte er leise. »Mein Name ist Toppe. Ich bin der zuständige Kriminalbeamte.«
»Guten Morgen«, antwortete die Frau undeutlich.
Der alte Mann sagte nichts; er sah nicht einmal auf.
Die Frau war Anfang bis Mitte Vierzig und sehr zierlich. In dem Halbdunkel konnte er ihre Gesichtszüge kaum erkennen.
»Sie sind …« Toppe wartete.
»Ich bin Ingeborg Verhoeven. Das ist mein Schwiegervater.«
»Was ist passiert, Frau Verhoeven?« Toppe ließ sich ruhig neben ihr auf der Bank nieder.
Sie holte tief Luft und er sah, daß sie zitterte. »Ja, also ich wollte meinen Schwiegervater und meinen Onkel vom Krönungsball nach Hause bringen.«
»Ihr Heimweg führt über den Friedhof?«
»Das ist am kürzesten.«
»Erzählen Sie.«
Sie suchte lange nach Worten, und Toppe ließ ihr Zeit.
»Wir kommen gerade auf den Friedhof, da knallt es plötzlich, und Onkel Hein kippt um. Ich wußte erst gar nicht..«
»Von wo kam der Schuß?«
»Von vorne irgendwo.«
»Haben Sie den Schützen gesehen?«
»Nein, wir waren doch unter der Laterne.«
»Haben Sie etwas gehört?«
»Nein, ich weiß nicht, ich glaub’., ich hab’ geschrien, und dann kam schon Bongartz, ich weiß nicht.«
»Und Sie, Herr Verhoeven?«
»Mmmh?« Der Alte sah jetzt hoch. Seine Augen waren blutunterlaufen.
»Haben Sie etwas gesehen oder gehört?«
»Nix«, stieß er hervor. Sein Atem war eine einzige Bierwolke.
Die Kirchentür wurde aufgerissen.
»Ist hier irgendwo ’ne Steckdose?« rief ein Polizist herein.
»Ja, mehrere.« Der Küster unterbrach sein Gespräch mit Astrid.
Toppe wandte sich wieder dem Alten zu.
»Lassen Sie ihn doch«, Ingeborg Verhoeven nahm den Arm des Schwiegervaters. »Er kriegt sowieso nichts mehr mit.«
»Wenn ihr eins von diesen Fenstern aufmacht, können wir mit dem Kabel von hier aus durch«, brüllte ein Beamter von draußen.
Toppe seufzte.
»Nix, gar nix«, lallte der Alte.
»Frau Verhoeven, wer könnte Ihren Onkel getötet haben?«
Er sah, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. »Das weiß ich doch nicht«, weinte sie. »Der hat doch keiner Fliege was zuleide getan.«
»Ist Ihnen heute abend oder in den letzten Tagen irgendetwas aufgefallen, was mit der Tat zu tun haben könnte?«
Aber sie schluchzte nur noch und schüttelte den Kopf.
Toppe stand auf und legte ihr kurz die Hand auf die zuckende Schulter.
»Sie können nach Hause gehen. Wir unterhalten uns morgen noch mal.«
Sie stand auf und zog den Alten mit sich hoch, aber der sackte sofort wieder zusammen und rutschte halb von der Bank. Der Küster eilte beflissen herbei.
»Ich mach’ das schon, Herr Kommissar.«
Astrid wartete an der Tür. »Und? Haben Sie was rausgekriegt?«
»Nix, gar nix«, knurrte Toppe.
»Ich auch nicht.«
Berns schwirrte wie eine dicke Hummel zwischen den Gräbern herum. Er ließ sich nur ungern stören, Unwirsch und aufgeblasen wie immer gab er ein paar knappe Auskünfte: »Nach Lage des Toten und Einschußstelle muß der Schuß von da drüben abgegeben worden sein.« Er zeigte auf eine Familiengrabstätte mit einem enormen Grabstein.
»Fußspuren?«
»Ein paar. Aber der Scheißregen. Bis jetzt haben wir noch nichts Verwertbares.«
»Machen Sie auf jeden Fall weiter. Bis morgen ist bestimmt alles weggespült.«
»Ich wollte eigentlich bis nach Weihnachten warten«, gab Berns giftig zurück und war schon wieder weg.
»Arschloch«, zischte Toppe. Astrid lachte leise.
7
Gegen sieben Uhr morgens hatten sie endlich alle Bürger vernommen, die etwas gesehen oder gehört haben wollten. Sie hatten sich kurz mit dem Staatsanwalt unterhalten, der über seinen nächtlichen Einsatz begreiflicherweise wenig begeistert und schnell wieder verschwunden war. Und sie waren bei Heinrich Verhoeven zu Hause gewesen, um mit seiner Frau zu sprechen, aber der Arzt hatte sie nicht zu ihr gelassen. Jetzt
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