Konny Reimann
schließlich zu seinem Freund und sagte: „She doesn’t understand a word we’re sayin’.“ Bei ihm hörte es sich jedoch mehr an wie „Schiesnanderstäädäwöödwrrsään“. Aus irgendeinem Grund konnte Manu das wiederum verstehen, den beiden Herren daraufhin höflich ihr Geld auszahlen und sie bestens verabschieden. Puh.
Ein paarmal hatte sie allerdings auch die Lacher auf ihrer Seite. „To get a shot“ heißt im Englischen, eine Spritze verpasst bekommen, und ein Veterinär ist ein „veterinarian“. Im Kreis ihrer Kollegen erzählte Manu freudestrahlend einmal, wie unser Hund Murphy von einem Veterinär gegen Tollwut geimpft wurde, heraus kam aber: „Murphy got shot by a vegetarian.“ Die Runde ihrer Kollegen war entsetzt und etwas verblüfft, dass ein Vegetarier unseren Hund erschossen haben sollte und Manu das auch noch komisch fand. Ebenfalls in der Anfangszeit erzählte sie einer Kollegin, dass die englische Sprache und speziell die Grammatik ihr noch etwas Mühe bereiten würden: „English is hard and also grammar.“ Das war nicht nur etwas verkürzt formuliert, sondern wurde auch noch falsch verstanden. Da „grammar“ fast wie „grandma“ ausgesprochen wird, dachte ihre Kollegin, dass Manu nicht nur das Englisch Schwierigkeiten macht, sondern auch ihre Großmutter. Eine zugegeben etwas sonderbar anmutende Aussage.
Am 1. April kam, kein Aprilscherz, der erste Gehaltsscheck für Manu vom Kasino. Es war, als würde auf dem Stück Papier viel mehr stehen. „Herzlich willkommen in Amerika, Sie sind jetzt offiziell eine von uns, baby“, las sich das Ganze für uns.
m Mai 2005 begann ich, nachdem die Werkstatt lange fertig war, für Manu ein Nähzimmer hinten an das Haus anzubauen. Mit den extrem laxen Vorgaben des Rathauses hätte ich vermutlich auch den Eiffelturm in unserem Garten nachbauen können, es hätte niemanden gestört. In diesem Fall war es jedoch ein einfaches neues Zimmer hinten am Haus zum Garten, wo vorher nur ein paar Grashalme ihr wenig aufregendes Leben gefristet hatten. Ich genoss dieses Bau-Schlaraffenland in vollen Zügen. Im August 2005 konnte Manu ihre Nähmaschine in ihrem neuen Zimmer aufstellen und somit wieder weit besser ihrer eigentlichen Leidenschaft, dem Nähen, nachgehen. Das Geschäft von bradkid.com konnte weitergehen. Sie entwarf neue Kinderanziehsachen und nähte dort später Janinas PromKleid, also das Kleid, mit dem unsere Tochter auf ihren Schulabschlussball ging, und sie stellte dort ihre allseits beliebten Kirschkernkissen her.
Später im Jahr, ich glaube es war November 2005, mietete Manu einen Stand auf der „Arts & Craft Fair“, also der Kunst- und Handwerksmesse in Gainesville, um eben diese Kirschkernkissen anzubieten. Da dem gemeinen Texaner Kirschkernkissen in etwa so bekannt sind wie die Binnenalster, lief das Geschäft eher schleppend. Sehr schleppend. Ein Kissen gefüllt mit Kernen statt mit Federn? Man muss es warm machen? Und dann? Das Ergebnis war niederschmetternd: Gerade mal ein Kissen verkaufte Manu pro Tag auf der Messe. Aber sie ließ sich nicht entmutigen und bestellte im nächsten Jahr erneut einen Tisch. Dieses Mal jedoch wusste sie, was zu tun war, um das Geschäft anzukurbeln: Neben ihre Kissen platzierte sie in jenem Jahr nicht nur ihre selbstgemachten Kinderklamotten, sondern auch ihren Running Gag – Milch und Cookies aus Filz. Und sie stellte eine Mikrowelle auf. Vor allem Letztere war für den Ausgang ihrer zweiten Messe entscheidend. Denn nun konnte sie den Besuchern live und in Farbe vorführen, was es mit den Kirschkernen auf sich hat. Sie wärmte die Kissen, drückte sie den Besuchern in die Hand, und man konnte den potentiellen Käufern förmlich das Licht aufgehen sehen. Der Erfolg gab Manu und ihrem kleinen Trick Recht. Die Kissen und auch andere Dinge verkauften sich gut, und langsam sprach sich das Bradkid-Angebot herum. Noch heute bucht Manu sich bei der Arts & Craft Fair einen Platz, und ihr Angebot ist inzwischen wohlbekannt. Manchmal, meistens eigentlich, muss man im Leben eben nur Ausdauer haben und an sich glauben ...
anu und ich guckten uns über Google Earth immer mal wieder im Internet das alte Haus in Schenefeld an. Es war irgendwie beruhigend zu sehen, dass alles noch so war, wie wir es verlassen hatten. Quasi eine eingefrorene Vogelperspektive der Vergangenheit. Schon in der zweiten Hälfte unseres ersten Jahres war klar, dass wir in Texas bleiben würden, dass wir
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