Konny Reimann
weder das Haus in Schenefeld noch sonst irgendwas aus der alten Heimat als Sicherheit brauchten. Vielmehr würden wir bald das Geld benötigen, das ein Verkauf einbringen würde, um hier weiter voranzukommen. Als sich das alles abzeichnete, verkauften wir unser altes Schenefelder Paradies an unseren ehemaligen Nachbarn Manfred. Er war schon länger scharf darauf gewesen, und wir waren immer gut miteinander ausgekommen, also war es eigentlich klar, dass, wenn wir verkaufen, er der Erste wäre, den wir fragen würden. Ein paar Monate nach dem Verkauf guckten wir wieder bei Google Earth das Satellitenbild auf unserem Computer an und sahen – nichts. Natürlich sahen wir noch das Grundstück in Schenefeld, aber alles war anders. Zum ersten Mal seit unserer Auswanderung hatte sich Schenefeld verändert, war nicht mehr das, was wir kannten. Die Büsche waren weg, die wir angelegt hatten, der Teich war nicht mehr da, die Werkstatt weg, der Hühnerstall weg, nur der Carport und die Halle waren noch da. Es war ja logisch, ich hatte damals nach dem Kauf auch diverse Dinge verändert, und Manfreds Vorstellung von dem Grundstück sah eben anders aus als meine vor Jahren. Es war logisch, und trotzdem war es irgendwie niederschmetternd.
n Gainesville hatten wir mit unseren Nachbarn derweil nicht so viel zu tun. Zur einen Seite wohnten Mexikaner, mit denen wir so gut wie keinen Kontakt hatten, die jedoch in unserer Zeit in Gainesville noch eine gewisse Rolle spielen sollten. Die Mexikaner in Texas, und wie ich fürchte in ganz Amerika, haben zumeist kaum Kontakt zu Einheimischen. Viele von ihnen, so auch unsere Nachbarn, haben, seit sie aus Mexiko ausgewandert sind, nie richtig Englisch gelernt. Bei den Kindern der Einwanderer sieht das etwas anders aus. Sie werden mit Englisch groß und sind an der Schule und durch ihre Freunde dort schon früh an die Sprache gewöhnt. Die Eltern hingegen scheuen oft jegliche Anstrengung in dieser Richtung. Sie haben ihr eigenes Leben und sind nicht erpicht darauf, daran noch mal etwas zu ändern. Der mexikanische Familienvater nebenan lebte bereits zwanzig Jahre in Texas, als wir in das Haus einzogen, und dennoch konnte er kaum auf Englisch „Guten Tag“ sagen. Jedes Mal, wenn jemand zu ihm kam, musste er seinen Sohn holen, der dann als Übersetzer einsprang.
Zur anderen Seite wohnte eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Zwar hatten wir auch zu ihr keinen großen Kontakt, sie schien aber sehr nett, und hier und da ergab sich mal ein kleines Gespräch. Man konnte ihr ansehen, dass sie nicht eben ein leichtes Leben lebte. Die Kinder waren anscheinend auf dem Land groß geworden und waren das, was man hier typische „rednecks“ nennt. Sie fingen früh an, Bier zu trinken, schienen schnell den falschen Umgang zu haben, zumeist Kleinkriminelle aus der Gegend, und auch sonst keine Ziele oder Pläne für ihr Leben zu fassen. Es war ein wenig traurig, das mit anzusehen. Der Sohn fuhr auch einen Pick-up, und so kamen wir mal ins Gespräch, ein anderes Mal hat er mir bei der Arbeit geholfen, viel mehr Kontakt gab es aber auch mit diesen Nachbarn nicht. Sie lebten ihr Leben, und wir lebten unseres.
Das erste Jahr diente uns allerdings auch hauptsächlich dazu, Erfahrungen zu sammeln, die Mentalität der Menschen kennenzulernen und uns auf unserem Weg zurechtzufinden. Richtige Freunde sollten wir erst später und an einem anderen Ort finden. Aber das ist eine andere Geschichte, von der ich später erzählen werde.
ei Reimanns gibt es eigentlich nie Routine, geschweige denn Langeweile. Das war in Hamburg so und in Texas erst recht. Es gab einen einzigen Zeitpunkt, an dem sich vielleicht so etwas wie Wiederholung einstellte. Die Dinge hatten sich gerade alle geordnet, unser amerikanisches Leben lief, die turbulenten ersten Tage lagen hinter uns. Manus neues Nähzimmer war gebaut, meine Werkstatt hinten im Garten ebenso. Manu arbeitete im Kasino, ich hatte meinen Job, die Kinder waren „versorgt“, hatten erste neue Freunde gefunden, und ein Familienurlaub war vorerst auch nicht in Sicht, so beschäftigt waren wir beim Jonglieren all dieser kleinen Bälle. Tage fingen an, sich zu ähneln. Konny Reimanns Leben im Gleichstrom? Undenkbar.
Gerade begann ich, ein wenig über diese seltsame Vereinheitlichung nachzudenken, mich mit neuen, selbstinitiierten Veränderungen zu beschäftigen, als sich wieder alles ganz von allein auf den Kopf stellte und eine neue, aufregende Gabelung auf
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