Konny Reimann
Herausforderungen zu weichen. Wir verabredeten uns und standen wenig später im Juni 2005 auf unserem heutigen Grund und Boden. Eine kleine Schottereinfahrt, nur eine Einkerbung an der Landstraße, führte zur ersten Adresse, zu der wir mit ihr fuhren. Sie hatte eine Handvoll ausgewählt. Vorher hatten wir nur ein einziges mickriges Foto dieser Adresse im Internet ansehen können, das aber wenig aussagekräftig gewesen war. Es zeigte das Haus, das wir am Ende sogar abgerissen haben.
Von Gainesville aus fährt man knapp eine halbe Stunde zum Moss Lake, im Prinzip muss man nur zwei Mal abbiegen, die Route 1201 führt einen direkt dorthin. Auf dem Weg tauchen hier und da ein paar Farmen auf, die mit einem einfachen und doch stolzen Torbogen auf sich aufmerksam machen, der Farm- oder Nachname der dort lebenden Familie oder schlicht deren Initialen prangt im Zentrum einer Eisenschleife oben am Tor. Schließlich sieht man den Moss Lake links liegen. Der künstlich angelegte See verschluckt an einer kleinen Lichtung die ehemals dort langführende Straße. Meist ist dieses Ende des Sees umringt von ein paar Booten und Autos. Auf der anderen Straßenseite stehen Garagen, zu mietende Bootshäuser, in denen Jet-Skis, Motorboote und Ähnliches untergebracht sind, die hier oft an Wochenenden für eine kleine Spritztour herausgeholt werden.
Leider sind auch tote Tiere am Straßenrand ein tägliches Bild. Erst vor Kurzem sah ich abends zwei Rehe an unserer Einfahrt über die Straße und in die Nacht verschwinden. Am nächsten Tag lag eines von ihnen (ich vermute zumindest, dass es eines der beiden war) tot im Straßengraben. Als ich nach Hause kam, sah ich aus dem Auto heraus in den Himmel und entdeckte einen Geier. Es war klar, was ich als Nächstes vorfinden würde. Zehn bis zwölf seiner Kollegen hatten es sich auf dem Kadaver des Rehs gemütlich gemacht, hüllten das arme Tier vollständig in ein zupfendes Schwarz, und jeder versuchte, die Beute nach eigenen Maßstäben so ungerecht wie möglich zu verteilen.
Wir fuhren also die 1201 am ersten Seezugang mit den Bootsgaragen vorbei weiter, Moss Lake verschwand zunächst wieder hinter den Bäumen, und ein paar Meilen später sahen wir irgendwann ein kleines Schild, das mit dem Daumen nach links in einen Schotterweg wies. Dieser Kiesweg mit einigen Schlaglöchern teilte sich nach wenigen Metern, führte an einigen Grundstücken vorbei und endete kurz danach im Gras. Die Nachbarschaft dort schien nicht besonders groß, was ich aber nicht unbedingt als Nachteil empfand.
Von außen war zunächst kaum erkennbar, wer hier wo und wie wohnt. Wir entdeckten Wiesen, Unkraut, irgendwo mittendrin mal ein Haus und einen Schuppen, beide hätten aber auch genauso gut verlassen sein können. Ein niedriger Holzzaun markierte den Beginn des Grundstücks, das wir uns mit Rita ansahen.
Wir traten auf das abschüssige Gelände. Geradeaus hinunter führte linker Hand an einem Zaun entlang ein straßenbreiter Schotterweg, der im Grunde genau wie die Einfahrt von der 1201 zu den Grundstücken aussah. Rechts lag auf einem lange nicht gepflegten Stück Boden ein Haus. Das Haus von dem Foto.
Unkraut stand herum wie ein Haufen Schaulustiger. Das Grundstück war hier oben etwa 35 Meter breit, rechts und links bei den Nachbarn sah es ähnlich aus. Wirklich attraktiv war es nicht. Was weiter unten lag, konnte man auch mit zugekniffenen Augen nicht erkennen, Büsche und Bäume standen am unteren Ende der Fläche Spalier.
Das Haus selbst konnte uns noch nicht wirklich überzeugen, einiges war kaputt oder sah stark angegriffen aus. Es schien, als müsse man viel herausreißen, wenn man hier wohnen wollte. Zunächst liefen wir durch die Räume wie damals, als wir in Amerika angekommen waren und Rita uns die ersten Häuser in Gainesville vorführte.
Draußen versuchte einen die Sonne durch die verstreut stehenden Bäume weiter anzubrüllen und die Pflanzenwelt mürbe zu machen. Auf der Rasenfläche rechts vom Schotterweg, unterhalb des Hauses, stand noch ein Schaukelgestell ohne Schaukeln, dahinter begann direkt das Grundstück des nächsten Nachbarn, ähnlich wüst mit einem Spiel- und einem Parkplatz, einem Motorboot auf einem Anhänger und natürlich einem Pick-up, wie ihn fast jeder Texaner fährt. Zur linken Seite erstreckte sich ein Zaun gerade am Schotterweg entlang, daneben lag ein nicht genutztes Grundstück mit viel Wildwuchs und kleinen Feldblumen-Sträußen, die man hier
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