Konny Reimann
schmiss sie weg, bis ich im Juni schließlich das Dach abnahm. Übrig blieb ein Skelett eines Hauses, eine Ahnung von dem, was es mal gewesen war. Die letzten Worte einer Behausung.
Dann kam der 18. Juni 2006. Während in Deutschland das ganze Land noch unter dem hysterischen Eindruck eines Tores von dem Fußballer Oliver Neuville stand und am gleichen Tag die brasilianische Mannschaft versuchte, Australien in die Schranken zu weisen, stand bei uns der endgültige Abriss eines Wohnhauses auf der Agenda. Wenig war von dem ehemaligen Domizil übrig geblieben, das früher mal ein Trailer mit angebauten Zimmern gewesen war. Ich legte ein festes, großes und langes Tau um die verbliebenen Wände, befestigte es anschließend am Pick-up-Truck und setzte mich danach ans Steuer. Ich fuhr so ruckartig an, wie ich konnte, und hinter mir stürzte der traurige Rest des Hauses in sich zusammen. Was dann noch übrig war, verschwand in den nächsten Wochen. Im September 2006, zehn Monate nach Beginn der Arbeit, war das Haus nur noch eine Erinnerung.
Heute sind nur noch der Eisenrahmen und ein paar Steine von dem Haus geblieben, die zusammen daran erinnern, dass dort überhaupt mal etwas gestanden haben könnte. Auf diesem ca. einhundert Quadratmeter großen Rahmen liegen wahlweise immer mal wieder Materialien, die ich für die künftigen Bauten brauche, oder Zeug, das von früher übrig geblieben ist. Zuletzt waren das ein zusammengerollter Maschendrahtzaun und ein paar Backsteine, alte Äste und langsam verschwindender Krempel vom Abriss des Hauses. Ein alter Pfahl ragt ebenfalls noch aus dem Boden – einziger Überlebender einer vergangenen und, wie ich vermute, weit weniger lebhaften Zeit hier. Etwas oberhalb davon haben wir unseren liebgewonnenen Airstream platziert, und wiederum weiter oben steht ein kleines Haus mit Nummernschildern, aber dazu später.
Eine kleine, aber feine Neuerung montierte ich am anderen Ende des Grundstücks, am sprichwörtlich letzten Meter, bevor der See zum Eigentum des Staates Texas wird. Ich konnte nicht umhin, an unserer kleinen hölzernen Plattform, zu der der Steg führt, ein Sprungbrett anzubringen. Natürlich konnte man auch vom Holz aus ins Wasser springen, aber ein richtiges Sprungbrett durfte nicht fehlen. Also besorgte ich eines und brachte es an.
Viele Monate lang hatten wir an dem weißen Brett unseren Spaß und mit uns die vielen Gäste. Bis – ja, bis die ohnehin etwas morsche Verankerung der schon leicht in die Jahre gekommenen Plattform von einem ziemlich übergewichtigen Gast an ihre Grenzen geführt wurde. Der korpulente Mann nahm Anlauf, sprang mit aller Kraft auf das Brett, um mit möglichst viel Schwung im kühlen See zu landen, und hinterließ ein etwas geknicktes Sprungbrett, dessen Federung fortan nicht mehr wirklich federn wollte. Schade, aber is’ so. Ich bin allerdings fest entschlossen, das Ding wieder in einen brauchbaren Zustand zu versetzen. In der Zwischenzeit hatte ich mir im Februar des Jahres 2006 meinen ersten Betonmischer in den USA besorgt. Ich ersteigerte ihn bei einer Auktion. Was für andere vielleicht seltsam anmutet, war für mich ein wesentlicher Schritt, denn nun war es endlich möglich, dem ganzen Gelände ein neues Gesicht zu geben.
Kurz darauf segelte auch die erste Fan-Postkarte in unseren Briefkasten. Allerdings keine, auf der wir um ein Autogramm oder so gebeten wurden. Wir hatten ein paar Tage vorher dazu aufgerufen, dass man uns doch Postkarten von wo und wem auch immer schicken sollte, damit wir damit unsere Hafenkneipe bestücken können. Am 19. Februar erreichte uns die erste, es folgten schnell sehr viele, und die Wand in Konnys Hafenkneipe füllte sich rascher als gedacht.
s gab tatsächlich wenig, was ich vermisste. Wir hatten hier alles, und vor allem, wir hatten jeden Tag etwas Neues. Ich musste schon etwas nachdenken, um eine Sache zu benennen, die mir in Gainesville wirklich fehlte. Irgendwann kam ich drauf: Es gab nichts, ohne das das Leben nicht weitergegangen wäre, aber ein Kino mit dem tollen Sound, den ich aus dem Hamburger UFA-Palast gewohnt war, hätte tatsächlich nicht schaden können. Hier in Gainesville und Umgebung gab es nichts dergleichen, dafür hätte man schon nach Dallas fahren müssen, und das war mir für einen Kinobesuch dann doch etwas weit.
Dafür habe ich mir als Erstes einen THX-Receiver gekauft, einen, der einem den Sound verschafft, den ich bei Fernsehen und Computerspielen zu
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