Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Konny Reimann

Konny Reimann

Titel: Konny Reimann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Friedrich
Vom Netzwerk:
außen. Es waren aber keine Karten aus fernen Ländern, sondern ein Gruß aus der alten Heimat: Gut sichtbar von dem Schotterweg außerhalb des Grundstücks addierten sich hier schnell Nummernschilder aus Deutschland, die Besucher uns mitbrachten. Heute ist es schon eine stattliche Anzahl, aber wer zufällig in der Gegend ist, darf gern noch weitere hinzufügen.
     
    Die Werkstatt ist kleiner als die in Gainesville, und seit einiger Zeit ist klar, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft einer großen Werkstatthalle wird weichen müssen. Ich denke da eher an eine Halle, wie wir sie in Schenefeld hatten. Ich kam bald auf die Idee, eine solche auf das kleine Stück Land schräg gegenüber zu bauen, oben an der anderen Seite des Schotterweges, der von der Landstraße aus zu den Grundstücken führt. Hierzu müssten wir das Gelände dort natürlich erst einmal kaufen. Und dafür wiederum würden wir neues Geld brauchen. Irgendwie war es Segen und Fluch zugleich: Unser Neuerwerb am Moss Lake war wie geschaffen für alle möglichen und unmöglichen Baumaßnahmen, jedoch waren Zeit und Geld, um das alles umzusetzen, nicht immer vorhanden. Aber wir wollten uns ohnehin die Zeit nehmen. Und das Pläneschmieden allein war und ist für mich schon eine helle Freud.
     

     
    in See ist nicht nur dazu da, nett daraufzugucken und die leisen Wellen plätschern zu hören. Das war mir als Allererstes klar. Am 26. März 2006 war es endlich so weit: Ich holte mein Brett raus, ging hinunter zum Steg, ließ alles Nötige zu Wasser, paddelte ein wenig hinaus, stellte das Segel auf und konnte das erste Mal auf dem Moss Lake windsurfen. Es war nicht das Mittelmeer mit den Mistral-Winden und auch nicht Rømø, aber es war der Moss Lake. Und dieser hatte einen ganz entscheidenden Unterschied zu all den Urlaubsorten: Er war „meins“. Ich wohnte jetzt dort, wo ich surfte. Ich genoss jede einzelne Minute. Jedes Mal, wenn ich fertig war, stellte ich alles wieder weg und war direkt zu Hause. Mein Ferienort und mein Wohnsitz waren zu einem verschmolzen. Freiheit, Abwechslung, Arbeit und Familie, alles in Reichweite und unter einem Hut. Einem Cowboyhut in Texas.
    Hätte ich nur viel früher gewusst, dass man für ein Boot in Amerika keinen Führerschein braucht, ich wäre weit schneller zum Kapitän aufgestiegen, als es am Ende der Fall war. Andererseits hätte ich es im Grunde schon ahnen können – wer Menschen alles bauen lässt, was ihnen in den Sinn kommt, wann und fast auch wo man will, der lässt einen auch auf hoher und nicht so hoher See tun und lassen, was man will. Ich erinnere mich noch, wie ich einmal Rita Greer fragte, wie weit ich denn einen neuen Bootssteg in den See hinein bauen dürfte, wenn ich einen zweiten Steg in Angriff nehmen wollte? Rita blickte mich an, als hätte ich sie gefragt, ob sie künftig nicht mein persönlicher Sklave sein möchte. Ihre Antwort war vollkommen sprachloses Unverständnis. Natürlich konnte hier jeder den Bootssteg bauen, der ihn in seinen kühnsten Träumen verfolgt. Vermutlich hätte ich den ganzen See in eine Holzfußgängerzone verwandeln können. Mir schien es zumindest so.
    Am Moss Lake gibt es übrigens auch keine Bestimmungen, was den Verkehr auf dem See angeht. Jeder fährt, wo und womit er will, sei es ein Ruder- oder Motorboot, ein Jet-Ski, ein Rettungsring oder schlicht mit der Kraft seiner Arme und Beine nur mit Badehose. Das heißt nicht, dass man einfach drauflosfahren darf und sich um nichts scheren muss. Alle, die sich auf dem See tummeln, nehmen im Gegenteil sogar sehr viel Rücksicht auf die anderen. Denn wenn mal etwas passiert, drohen dem Schuldigen drakonische Strafen. Heißt im Klartext: Tu, was du willst, solange du keinem schadest und alles gutgeht.
     
    Noch wohnten wir im Frühjahr 2006 in der Stadt, auch wenn ich bereits seit Monaten dabei war, aus dem Moss-Lake-Grundstück ein neues Zuhause zu bauen. Während der März schon genügend Wind geboten hatte, um mich mit meinem Brett auf den See zu schicken, brachte der 28. April 2006 schließlich genug Wind, um ganze Kühe durch die Luft zu wirbeln. Genauer gesagt zog ein Tornado durch Gainesville. Niemand aus unserer Familie hatte die Vorwarnung gehört. Es begann mit Hagel und Regen. Um halb acht abends wurde die Lage plötzlich schlimmer. Während wir es schon nach wenigen Monaten gewohnt waren, dass das Wetter in Texas oft verrückt spielt, Temperaturschwankungen von zwanzig Grad innerhalb von einer halben Stunde keine

Weitere Kostenlose Bücher