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Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sterben müssen. Das einzige, wovor Kannick sich wirklich fürchtete, waren Schmerzen. Er zitterte, sein Fett wogte und schwappte. Wenn er doch wenigstens ohnmächtig werden und verschwinden könnte, langsam ins Heidekraut sinken, alles war ihm recht, wenn er nur dem schwarzen Traum entkam, in den er hier geraten war. Aber es gab keinen Fluchtweg, und er wurde auch nicht ohnmächtig. Errki wartete. Er war geduldig. Deshalb würde er sicher gewinnen, deshalb würde Kannick nicht entkommen können.
    Und dann sah er den Revolver. Mitten in seiner Verzweiflung kam ihm ein Gedanke, ein Gedanke aus einer fast schon sterbenden Seele, der Gedanke, daß er einfach eine Kugel in den Kopf bekommen würde, statt gequält und gefoltert zu werden. Das war Kannicks letzte Hoffnung. Langsam ging er durch das Gras. Er begriff nicht, was seine Beine machten, sie gingen, gegen seinen Willen, auf das Haus zu, dorthin, wohin er nicht wollte, dem Ende entgegen.
    Errki folgte ihm langsam. Er hatte den Revolver in den Gürtel mit dem großen Adler gesteckt und preßte beide Hände auf seine Wunde. Es blutete inzwischen heftig, aber wenn sie das Bein abbinden konnten, würde die Blutung versiegen. Ein großes Problem war das also nicht.
    »Du hast Angst«, stellte Errki fest.
    Kannick blieb stehen. Er überlegte, was der Irre meinte. Ob das vielleicht zur Folter gehörte. Ob es ihn in Sicherheit wiegen sollte, ehe der Fangschuß folgte. Vielleicht wollte Errki sein Entsetzen auskosten, wenn ihm aufging, daß er eben doch sterben mußte. Das alles beschäftige Kannick so sehr, daß er einfach stehenblieb. Errki mußte ihm einen Stoß versetzen. Kannick fuhr zusammen und jammerte leise, aber es fiel kein Schuß. Er setzte sich wieder in Bewegung und ging weiter, bis das Haus zwischen den Bäumen auftauchte. Er meinte, seit einer Ewigkeit unterwegs gewesen zu sein, aber in Wirklichkeit hatte er nur zweihundert Meter zurückgelegt. Auf dem Hof blieben sie stehen. Und Kannick erlitt den zweiten Schock. In der Tür stand ein blonder Mann.
    Sie waren zu zweit! Einer konnte ihn festhalten, der andere konnte ihn quälen. Er versuchte noch einmal, in Ohnmacht zu fallen, versuchte, zu Boden zu gehen, aber seine Knie gaben nicht nach. Ich will hier sterben, dachte er und schloß die Augen. Mit gesenktem Kopf wartete er auf den Schuß. Errki versetzte ihm einen Stoß in den Rücken. »Das da ist der, der Morgan heißen will.«
    Morgan starrte die beiden an. »He, Errki! Warst du beim Metzger und hast Schmalz gekauft?«
    Er lehnte sich an den Türrahmen und starrte Kannicks beeindruckendes Doppelkinn und die Oberschenkel an, die den gleichen Umfang hatten wie Errkis Taille.
    Kannick schielte zu Morgans Nase hinüber.
    »Er hat mich am Oberschenkel erwischt.«
    »O Scheiße, Errki, du blutest wie ein Schwein.«
    »Ich sag ja, er hat mich erwischt.« Errki bückte sich und hob den Pfeil auf. »Damit.«
    Morgan sah sich den Pfeil neugierig an und strich mit der Hand über die gelben und roten Federn. »Ich muß schon sagen. Spielst du Indianer? Gibt’s da im Wald auch einen Cowboy?«
    Kannick schüttelte heftig den Kopf. »Ich w-wollte b-bloß trainieren«, stotterte er.
    »Trainieren? Wofür denn?«
    »F-für die Junioren-NM.«
    Er hatte schon lange nicht mehr Luft geholt. Deshalb keuchte er beim Sprechen. Errki hörte ganz deutlich einen nicht ganz sauber gestimmten Dudelsack. »Rein mit ihm.«
    Morgan trat zurück und machte Platz. Während Errki Kannick vor sich her schob, überlegte er, was er um seinen Oberschenkel binden konnte, um die Blutung zu stoppen.
    »Ich muß nach Hause«, wimmerte Kannick und blieb stehen.
    »Setz dich aufs Sofa«, befahl Morgan schroff. »Wir müssen erst sehen, was Sache ist. Vielleicht können wir dich irgendwie gebrauchen.«
    Jetzt starrte Kannick Morgans Nase hemmungslos an. Sie sah schlimmer aus denn je, die Spitze pendelte bedrohlich hin und her, und in der Farbe erinnerte sie an eine faulige Kartoffel. Er entdeckte die Whiskyflasche auf dem Boden, das Radio auf der Fensterbank und seinen Pfeil, der daneben aus der Wand ragte. Der Mann mit den Locken schien betrunken zu sein. Das war allerdings auch keine Beruhigung. Er ließ sich aufs Sofa sinken. Blieb unsicher da sitzen, die Hände im Schoß. Und dann kam die Frage, die er befürchtet hatte: »Weiß jemand, wo du bist?«
    Nein. Das wußte niemand. Sie hatten keine Ahnung, wo sie ihn suchen sollten, falls Margunn nicht im Schrank nachsah und feststellte, daß der

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