Kontaktversuche
nicht wahr…«
»Mit einem Wort, wir werden dich auch versetzen!« warf der Direktor ein, und seine Worte erschienen mir nett und menschlich nach den aufgeblasenen, selbstgefälligen Sätzen Petrows.
Vor Verwirrung oder wegen des Anblicks seiner Haare faßte ich mir selbst unwillkürlich an den Kopf. Als ich meine Hand herunternahm, rollten sich ein Dutzend Haare zwischen meinen Fingern. Ich wurde noch verwirrter und streute sie verstohlen unter den Tisch. Mein Schweigen währte nun schon ungehörig lange, deshalb stotterte ich, womöglich schon liebedienerisch: »Und die Lekowa… sozusagen…«
»Laß sie, diese Pute«, entgegnete Petrow mit kühler Verachtung. »Bei der hat es völlig ausgehakt. Du kommst also, ja?«
»Aber das ist doch noch…«
»Es ist sicher, es ist sicher! Wenn wir beide es beschlossen haben. Aber eine Bedingung ist dabei, Bruder: kein Wort mehr von meiner Krankheit.«
»Von was für einer Krankheit?«
»Wie, von was für einer? Von meiner! Schluß damit! Ich bin geheilt.«
»Aber du bist doch nicht krank gewesen!«
»Sieh ihn dir an, schon wieder!« Er seufzte dramatisch zum Direktor hin.
»Und das Haar?« Ich begriff immer noch nicht.
»Das Haar, das Haar!« Petrow war drauf und dran hochzugehen, lächelte dann aber und strich sich sorgfältig darüber hin, als fürchte er, es nicht mehr vorzufinden. »Das hab’ ich dabei profitiert. Und geb’s Gott einem jeden, wie man so sagt. Aber nun Schluß damit, wir sind schließlich keine kleinen Kinder. Da muß einem erst so was passieren, damit man in die Wirklichkeit zurückfindet. Ihr werdet mich nicht länger vor den Leuten bloßstellen, haben wir uns verstanden! Sonst ist es aus mit der Freundschaft!«
Doch damit war es schon aus – schon als ich die gepolsterte Tür aufgemacht hatte, noch ehe ich wußte, daß Peter Petrow der geheimnisvolle Abteilungsleiter war. Bewußt wurde es mir aber erst, als er es aussprach und ich die Worte gleichsam auf die Gipszimmerdecke geschrieben sah.
»Ja, ja«, sagte ich zur Zimmerdecke und den Buchstaben hin. »Ja, ja, natürlich.«
»Na, siehst du!« triumphierte Petrow. »Wir sind schließlich erwachsene Menschen, Phantasmagorien passen nicht zu uns. Ich hab’ auch den Professor angerufen, wir kommen abends auf ein Gläschen zusammen, um ein bißchen miteinander zu lachen…«
»Ich weiß noch nicht«, antwortete ich. »Mal sehn, was meine Frau meint.«
»Die kommt auch.«
»Und die Lekowa?« fragte ich und sah, wie sie die Buchstaben an der Zimmerdecke mit Tränen verschmierte.
»Hör schon mit die Lekowa auf! Mit der regeln wir das morgen.«
Diese Zimmerdecke zog mich mit unwiderstehlicher Anziehungskraft nach oben, ich beugte mich dieser Anziehungskraft und stand auf. Die beiden überschrien einander: »Aber wohin denn, warum so eilig, du hast ja nicht mal dein Glas ausgetrunken…«
Wahrscheinlich hörten sie in ihrem liebenswürdigen und ein bißchen erschrockenen Wetteifer meine Entschuldigung gar nicht.
»Ich verlasse mich auf dein Wort!« hörte ich die neue Chefstimme hinter mir im Korridor.
Hinterher fragte ich mich, was ich nun eigentlich versprochen hatte: daß ich sein Stellvertreter werden oder über den Vorfall mit ihm schweigen würde. Ich konnte mich nicht entsinnen, irgendein Versprechen gegeben zu haben, dachte aber verwirrt, daß ich wenigstens eins von beiden würde halten müssen; jede Logik außer acht lassend, bemühte ich mich zu entscheiden, was das Vernünftigere wäre.
Am Abend weinte die Lekowa an meiner Brust, als hätte sie den ganzen Tag über nicht aufgehört.
Wir saßen auf einer Bank im Park, ich fror, sie weinte, und ich fand nichts, womit ich sie hätte trösten können. Ich brauchte selbst Wärme und Trost. Deshalb hatte ich sie überhaupt nur nach dem wüsten Streit mit meiner Frau aufgesucht, nachdem Petrow sie angerufen hatte, um sie auch einzuladen. Es zeigte sich, daß keine Macht der Erde – selbst meine Gattin nicht – imstande war, mich zu dieser Feier zu bringen, damit wir da »ein bißchen miteinander lachten«. Denn… wer sollte über wen und worüber lachen? Doch meine Frau wollte meine Verfassung nicht begreifen. Und weil ich sie kannte, wußte ich nicht, wußte ich wirklich nicht, was weiterhin geschehen würde. Und die Lekowa flennte bloß immerzu: »Ich hab’ ihn so gern, so gern gehabt! Wegen irgendeines Chefpostens die fliegenden Untertassen zu verleugnen…«
Mit einem Arm wärmte ich ihre zitternden Schultern, mit der anderen Hand kratzte ich
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