Kontaktversuche
Filterventil meines Raumanzugs geklemmt hatte, und ich beschloß, die Sache zu untersuchen. Dieser Defekt hat mich gerettet, denn um die Funktionstüchtigkeit des Raumanzugs zu überprüfen, mußte ich ihn anziehen. Ich holte ihn aus der Schleuse, zog ihn über und setzte mich in einen frisch aufgeblasenen Sessel. Dann schaltete ich nacheinander die einzelnen Systeme ein, horchte auf ihre Arbeitsgeräusche und trällerte vor mich hin. Später dachte ich mir einen unterhaltsamen Zeitvertreib aus: Über den Funkhelm nahm ich Verbindung zu dem mir nächsten Maulwurf-Kyber auf, von diesem zum Computer und von da durch Rückkopplung zu Ronnis Gehirn. Das machte mir einen Heidenspaß, und ich erinnere mich noch, daß ich lange über Ronnis Erstaunen lachen mußte, als dieser meine Stimme aus der »Unterwelt« vernahm. Ich ließ die fällige Schimpfkanonade über mich ergehen und öffnete den Mund zu einer Erwiderung, wozu ich jedoch nicht mehr kommen sollte.
Ich hörte nur noch ein kurzes, trockenes Krachen und spürte fast gleichzeitig, wie sich der Pneumosessel unter mir im Bruchteil einer Sekunde so unwahrscheinlich aufblähte, daß er zerplatzte und mich in die gegenüberliegende Ecke des Raumes schleuderte…
Das Bewußtsein verlor ich höchstens für eine Minute. Ein dumpfer Schmerz in den Beinen war das erste, was mir verriet, daß ich noch am Leben war. Ich befragte alle Teile meines Körpers nach ihrem Befinden und erhielt die Antwort, daß, abgesehen von ein paar Quetschungen, alles in Ordnung sei. Erst da öffnete ich vorsichtig die Augen. Es handelte sich um die banalste und gleichzeitig gefährlichste Art einer Mondhavarie – um eine Meteoritenattacke. Ich lag auf dem Rücken und hatte die schrecklich zertrümmerte Kuppel vor Augen, durch die kalt die Sterne blinzelten. Der Meteorit war offensichtlich unter einem großen Neigungswinkel fast parallel zur Mondoberfläche geflogen, hatte so die Meteoritenlokatoren getäuscht und die Kuppel gestreift. Während ich mir den Schaden besah, spürte ich, wie der Druck auf meinen Beinen langsam immer mehr zunahm, und erst da warf ich einen Blick nach unten. Nur wurde mir klar, warum der Druck ständig zunahm!
Eine Platte der Metallplastverkleidung unserer Kuppel hatte sich beim Aufprall verbogen und preßte nun meine Beine so fest gegen den Boden, daß ich mich trotz aller Anstrengungen nicht von der Stelle rühren konnte. Das war jedoch noch nicht das schlimmste. Die Kuppel bestand aus mehrschichtigen Sektoren, und jede Schicht hatte einen anderen Ausdehnungskoeffizienten. Man stelle sich das wie eine Bimetall-Lamelle vor. Unter so einer Bimetall-Lamelle steckte ich nun! Die untere Plastschicht hatte sich durch das plötzliche Absinken der Zimmertemperatur auf den absoluten Nullpunkt doppelt so stark verbogen wie das Metall und preßte nun die Platte gegen den Boden. Ich kam mir vor, wie ein Käfer in einem Herbarium. Wie gelähmt lag ich da, und während mir der Schweiß in die Augen lief, schien zähflüssiges Entsetzen durch die Schädeldecke in mein Gehirn einzudringen. Das Manometer der Luftbehälter, das beinahe schon auf Null stand, trieb meinen panischen Schrecken auf die Spitze.
Plötzlich kam Ordnung in das Gewirr meiner Gedanken, und alle Dinge rückten wieder auf ihren Platz. Ronni! Der Mensch, mit dem ich auf Bäume geklettert war und mit dessen Hilfe ich meinen ersten Liebesbrief gekritzelt hatte! Der Mensch, der immer für mich da war, wenn ich nicht weiterwußte, und dem ich stets Gleiches mit Gleichem vergolt. Er mußte, er konnte, er würde mir helfen. Nervös lachte ich auf. Die Verbindung zu Ronni bestand ja noch, und ich brauchte ihn nur zu rufen. Anfangs kam kein Laut aus meiner ausgedörrten Kehle.
»Ronni, wie sieht’s bei dir aus?« fragte ich, weniger um wirklich zu erfahren, wie es bei ihm aussah, als vielmehr um dieselbe Frage von ihm zu hören. Daß ich sie hören würde, daran zweifelte ich nicht. Ronnis Antwort fiel nicht ganz so aus, wie ich erwartet hatte. »Man kann sagen, daß es mir gut geht.« Seiner Stimme fehlten auf Grund der Computervermittlung die Obertöne, diesmal aber kam sie mir noch ausdrucksloser als sonst und irgendwie unsicher vor. Es war, als überlege er erst während des Sprechens, was er antworten solle. Mich beschlich ein beängstigendes Gefühl, doch der Druck auf meinen Beinen hinderte mich daran, mich in eine eingehende Psychoanalyse zu vertiefen. Damals wenigstens dachte ich so. In zwei, drei Worten
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