Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
stark, ich bin mutig, ich werde siegen!« Er fühlte sich weder stark noch mutig, und er wußte, daß er eine Niederlage hingenommen hatte.
Sein Blick schweifte über die Gegenstände im Zimmer. Dinge, die die neue Welt bezeugten. Unwahrscheinlich schöne Dinge, jedes an seinem Platz, jedes Verkörperung von unzähligen Gedanken und Gefühlen. Er wußte jedoch, daß sie in der Fabrik hergestellt worden waren, er wollte ein Blatt, eine Wurzel, ein Schilfrohr berühren.
Er besaß nicht mehr die Kraft für ein Selbstgespräch, wie er es nach dem Tode seines zweiten Freundes viele Jahre geführt hatte. Er saß einfach da und hielt das Blatt mit den Namen der Toten, mit den Zahlen der Jahre, die er nicht gelebt hatte, in der Hand.
Über der Tür flackerte ein Licht auf, eine weibliche Stimme ertönte. Jemand begehrte Einlaß.
Eine Frau trat ein. Zum erstenmal nach seiner Rückkehr sah er eine Frau.
Er erhob sich.
Die Welt, die solch eine Frau hervorgebracht hat, ist bestimmt schön und gut. Die Frau war nicht mehr jung, die Kraft der Welt war in den Jahren, als der Schöpfer sie modelliert hatte, besser zur Geltung gekommen.
Sie trat näher und reichte ihm die Hand. Das glich noch mehr einem Traum, denn er durfte sie nicht berühren.
»Herzlich willkommen«, sagte sie. »Ich darf sie anfassen, ich bin die Ärztin.«
Sie hatte das Recht, ihn anzufassen. Sie stand einen Schritt von ihm entfernt. Er sah ihr in die Augen. Zum erstenmal blickte er nicht in den Kontrollspiegel. Die fremden Augen spiegelten sein Bild nicht so wider, wie er es sah, in ihnen lag ein anderes, ihr Bild.
Sie sah nicht den machtlosen, müden, besiegten Sternfahrer. Vor ihr stand der Mann, der sich dreißig Jahre immer zur gleichen Stunde, wenn auf der Erde die Sonne aufging, rasiert hatte. Der Gefährte der beiden Toten hatte in den dreißig Jahren zweimal geweint. Zu seiner Tonne Diamanten, die jetzt soviel wert war wie eine Tonne Steinkohle, hatte er als unentgeltliche Zugabe ein neues Gesicht erworben. Das Gesicht, das sie sah, war eines von denen, die als Fotos in den Zimmern der jungen Leute hingen.
Und sie zeigte ihm dieses Gesicht. In den Händen hielt sie etwas, was an eine Zeitung von früher erinnerte, und von jeder Seite schaute ihm sein Gesicht entgegen.
»Die Erde gratuliert Ihnen«, sagte sie. »Milliarden Menschen möchten Sie sehen. Die Wissenschaftler sind am Überlegen, wie sie Ihnen so risikolos wie möglich begegnen können.«
Er streckte die Hand aus. Sie wandte ihm das Gesicht zu. Da ergriff er ihre Hand. Er erinnerte sich nicht mehr, ob er mit geschlossenen Augen dagestanden hatte oder die Augen erst schloß, als sie ihm die Hand auf die Stirn legte. Das war das Schönste von allem, davon hatte er geträumt. Und die Erde verwandelte sich für ihn aus einem dunklen Planeten in einen Stern.
»Kommen manchmal Leute, solche wie ich, zurück?« fragte er.
»Sehr selten. Die Wissenschaftler haben ermittelt, daß in den alten Photonenreflektoren nukleare Prozesse ausgelöst wurden, die die Raumschiffe augenblicklich in winzige Sterne verwandelten.«
»Ich hatte also Glück mit meiner Rückkehr.«
»Mein liebster Freund ist in einem Raumschiff mit Magnetreflektor unterwegs.«
»Kehren Sie zur Erde zurück?«
»In ein paar Jahren. Meine Kinder leben dort.«
Er würde wohl kaum noch Kinder haben, nachdem er dreißig Jahre am Reaktor gestanden und kosmische Stürme mitgemacht hatte.
Er ging zum Chef der interplanetaren Station und bat, ihm die Karte mit den Routen der alten Raumschiffe zu zeigen, die von ihren Reisen durch das All zurückkamen. Auf der Karte des Sonnensystems erblickte er ihre Bahnen. Sie wanden sich in Schlangenlinien am Rand der Karte, aber nicht eine berührte die Erde. Meteoritenspuren gleich, die aufflammen und in der Erdatmosphäre erlöschen, bevor sie die Erde erreichen.
Er legte seine Hand auf die Karte und deckte ein feines Gewirr von Routen zu.
»Geben Sie mir ein Patrouilleraumschiff, ich werde in diesem Planquadrat Wache halten.«
Der Chef der Station blickte ihn forschend an. Er besaß keine Befugnisse, ihm ein Raumschiff anzuvertrauen. Dazu brauchte es Beratungen, Absprachen, Einverständnis.
»Gut«, sagte er.
Der Chef wußte, daß ihn niemand dafür tadeln würde.
Der Heimgekehrte schaute dem andern in die Augen und lächelte.
»Ich fürchte, Sie haben mich falsch verstanden. Ich möchte die Rückkehrenden nicht darum empfangen, weil ich einsam bin. Ich möchte ihnen sagen, daß sie nicht einsam

Weitere Kostenlose Bücher