Kontaktversuche
sind.«
Atanas Nakowski
Unmögliche Begegnungen
1
Von der Hitze benommen, verschwitzt und von Durst gequält, überquerte ich die Straße, ohne das grüne Licht der Ampel abzuwarten. Dann trat ich in die Konditorei. Ich mag diese Lokale zum Totschlagen der Zeit nicht, aber was blieb mir übrig, ich mußte etwas trinken. Nur der Tisch am Eingang war frei. Ich setzte mich und war drauf und dran, vor Ungeduld mit den Fingern auf die Platte zu trommeln. Ich ließ es bleiben, obwohl die Serviererin mit dem Mädchen hinter der Bar weiterschwatzte. Freilich hielt mich nicht das Bewußtsein davon ab, daß es sich nicht gehört, auf Tische zu klopfen – ich wußte, daß mich die Serviererin erst beachten würde, wenn sie selbst es wollte. Meine Lippen klebten schon aneinander.
Da betrat mein Freund und Kollege Stoitschkow die Konditorei. Ich lächelte ihm gequält zu, aber er reagierte nicht. Er sah mich an, und sein Blick schien durch mich hindurchzugehen. So durstig ich auch war, paßte es mir doch nicht, einfach Luft zu sein. – He, du! Was glaubst du denn, wo du bist! wollte ich ihm zurufen, aber er war schon an meinem Tisch vorbei und ging nach hinten. Dort saß an einem Tisch in der Ecke ein junger, breitschultriger Mann mit einem hübschen, ein bißchen ungewöhnlichen Gesicht. Vor ihm blieb Stoitschkow stehen, er sagte kein Wort, aber der junge Mann zuckte die Schultern und stand gehorsam auf. Danach folgte er ihm genauso gehorsam und wortlos. Um die Konditorei zu verlassen, mußte Stoitschkow wieder an meinem Tisch vorbei. Dieses Mal wandte ich mich ihm voll zu, doch er würdigte mich auch jetzt nicht seiner Beachtung.
Draußen stiegen sie ins Auto, es war unser Dienstwagen. »Bitte? Was wünschen Sie?«
Endlich war die Serviererin gekommen.
Ich trank die Orangeade aus – sie war zu kalt –, zahlte und
stand auf. Ich mußte noch zwei, drei Besuche machen, und nach etwa anderthalb Stunden war ich wieder in der Dienststelle. Als ich an Stoitschkows Tür vorbeikam, zögerte ich, drückte dann aber doch die Klinke herunter.
Stoitschkow saß im Hemd, mit hochgekrempelten Ärmeln und offenem Kragen, genauso, wie ich ihn in der Konditorei gesehen hatte, am Schreibtisch, und man hätte meinen können, er döse. Auf dem Schreibtisch war nur ein Notizblock, ein leeres Blatt Papier und ein mit Kippen randvoller Aschenbecher.
»Ach, du bist’s?« Stoitschkow hob für einen Augenblick den
Kopf und starrte dann wieder auf das leere Blatt Papier. »Wir haben uns ja ewig nicht gesehen«, sagte ich bissig, »daß
du vergessen hast, wie ich aussehe.«
»Kommst du deshalb angekleckert?«
»Was hatte das in der Konditorei denn zu bedeuten?« Ich
konnte nicht länger an mich halten.
»Wann?«
»Voriges Jahrhundert! Hast du mich vor anderthalb Stunden
nicht gesehen, als du in die Konditorei kamst?«
»Du hast doch wohl nicht von der Hitze einen Stich gekriegt?
Ich habe so viel zu tun, daß… Heute habe ich noch nicht zu
Mittag gegessen.«
»Da hast du recht! Einer hat von der Hitze einen Stich. Du
bist zwanzig Zentimeter an mir vorbeigegangen.«
»Rutsch mir doch den Buckel ‘runter!« knurrte er und stand
auf. Sein langes Gesicht war grau vor Erschöpfung und der
Hitze. »Du hast Glück, daß ich kein Freund von schärferen
Worten bin.«
Er scherzte selten. Nur wenn er der Idiotie in ihrer reinsten
Form begegnete – das waren seine eigenen Worte. Aber ich
hatte ihn doch vor anderthalb Stunden in der Konditorei gesehen. Zweimal war er an mir vorbeigegangen, einmal, als er
hereinkam, einmal, als er hinausging.
»Merkwürdig!« sagte ich, nun schon nicht mehr provokatorisch. »Ich könnte schwören, daß du es gewesen bist.« Stoitschkow sah mich gelangweilt an, und ich sah, daß die
graue Farbe der Müdigkeit sich auch auf seine Augen gelegt
hatte.
»Du oder jemand, der dir schrecklich ähnlich sieht«, sagte
ich, »ist heute in die Konditorei gekommen, hat einen Mann
abgeholt und ist mit ihm weggegangen… Er war dir so ähnlich,
daß er sogar in unseren Dienstwagen gestiegen ist!« Stoitschkow langte nach dem Telefon, hob den Hörer ab und
wählte die Nummer der Garage.
»Pa!« sagte er und hielt mir den Hörer hin.
»Was soll ich damit?«
»Sprich mit der Garage! Frag sie, was du willst. Aber stell
mich nicht als durchgedreht hin.«
Ich nahm den Hörer. Der Mann in der Garage antwortete mir,
daß heute nachmittag niemand einen Wagen verlangt hatte,
auch unsere Abteilung nicht.
Ich gab Stoitschkow den Hörer
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