Kontaktversuche
wer will!«
Die junge Frau in der Ecke, die zwar langbeinig, aber keineswegs auch langhaarig war und immer noch geduldig wartete
– die Serviererin entsann sich nicht, ob sie das vorige Mal
geraucht hatte, jetzt tat sie es nicht –, stand plötzlich auf und
ging schnell auf den Ausgang zu.
Die Serviererin sah ihr spöttisch nach und zuckte die Schultern.
»Ja, der ist fort! Aber der ihre Geduld ist genauso kurz wie ihr
Rock! – Nein, die sind nicht wie wir…«
2
Um die Mittagszeit, als man gerade damit gerechnet hatte, daß die Sonne am heftigsten brennen würde, ließ die Hitze nach, dann kam Wind auf. Wie es aussah, würde die allzu starke Erwärmung während der letzten Tage schlechtes Wetter bringen. Das kam oft vor, als müßte die Erde, bevor sie abgekühlt wurde, zuerst tüchtig durchgewärmt werden. Der Wind war noch träge, es machten sich aber schon kleine, scharfe Stöße bemerkbar. Dann erschienen die Wolken, sie tauchten gleichsam aus dem Nichts auf – ein kleines, kaum wahrnehmbares Wölkchen fing auf einmal an zu wachsen, und wenig später ballte sich über der Stadt ein gewaltiger, grauweißer Wolkenhaufen.
Am Ende der letzten Stunde, als Elena ihren Schülern die Hefte mit der Kontrollarbeit in Mathematik zurückgab, wurde klar, daß nicht nur Regen kam, sondern vielleicht auch ein Gewitter. Die Wolken bedeckten den ganzen Himmel, soweit er von den Fenstern des Klassenzimmers aus zu sehen war. Draußen bog der Wind schon die Bäume um, und das aufgeregte Rascheln der Blätter drang an Elenas Ohr. Von den fernen Blitzen füllte sich das Zimmer mit violettem Licht, und bei dem darauffolgenden Donnerschlag wurde es noch dunkler…
Als Elena das Schulgebäude verließ, fielen schon die ersten Tropfen. Sie war nur im Kleid – am Morgen hatte nichts auf so ein Unwetter hingedeutet –, und der Regen würde sie bis auf die Haut durchnässen, aber trotzdem trat sie ins Freie. Sie wußte nicht, weshalb sie im Regen so schnell weg mußte, aber in dem engen Vorhof, wo sie für einen Moment stehenblieb, spürte sie plötzlich, wie etwas sie nach draußen zog. Sie hatte nichts Bestimmtes vor, es packte sie einfach ein unüberwindliches Verlangen loszugehen, und ehe sie sich recht bewußt war, was sie tat, stand sie auf der Straße. Ihre Kollegen riefen ihr etwas nach, aber sie hörte es nicht. Die Tropfen waren so dick, daß sie wie Hagelkörner auf ihre Schultern schlugen, und auf den Platten des Gehwegs erschienen große runde Kreise, die schnell wuchsen und ihre Form verloren. Es roch nach feuchtem Staub und Ozon. In der Erwartung, daß der Regenguß gleich losprasseln werde, zog Elena unwillkürlich den Kopf ein, aber die auf die Schultern aufklatschenden Tropfen wurden seltener, und ehe der Regen richtig angefangen hatte, hörte er wieder auf.
Es war unwahrscheinlich, daß alles mit ein paar Tropfen abgetan sein sollte. Die Straße war plötzlich von Lärm erfüllt. Die bis zu diesem Augenblick unter Dachvorsprüngen und in Hauseingängen untergetretenen Menschen beeilten sich, den kurzen Aufschub auszunutzen, den ihnen die Natur gab. An der Straßenbahnhaltestelle quoll plötzlich wie aufgehender Teig eine riesige Menschenmenge.
Die Wolken lasteten weiter über der Stadt, der Wind hatte sich gelegt, die nassen Flecke auf dem Trottoir trockneten. Elena lächelte – die unerklärliche Spannung, die sie auf die Straße getrieben hatte, flaute ab, doch die Richtung, in die sie ging, war immer noch nicht die Richtung nach Hause. Sie war sich bewußt, daß sie ohne diese Verzögerung des Regens jetzt schon pudelnaß wäre, doch die Vorstellung eines solchen Malheurs belustigte sie bloß. Es gab keine Erklärung für ihr unvernünftiges Verhalten: Sie hatte weder im vorhinein wissen können, wann der Regen aufhören würde, noch war sie sonderlich darauf erpicht, mitten auf der Straße gebadet zu werden… Es sei denn, dachte sie, es hat mich doch stärker bewegt, als ich annehme, daß Andrej gestern zum ersten und bisher einzigen Mal nicht gekommen ist. Sie hatte in der Konditorei genau zwanzig Minuten gewartet und sich nachher Vorwürfe gemacht, daß sie so schnell gegangen war. Doch Andrej hatte sich auch telefonisch nicht gemeldet – etwas beinahe Unglaubliches, nachdem er nicht gekommen war –, so daß sie Grund zur Beunruhigung hatte. Am Abend war sie zwei Stunden später schlafen gegangen, immer in der Hoffnung, Andrej werde anrufen… Aber er hat nicht angerufen, und ich bin jetzt
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