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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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sehen, was es heißt, anderen Leuten ihr Essen wegzunehmen!« sagte Tom. »Ihr werdet schon sehen!«
Er verstummte für eine Weile und setzte dann hinzu: »Aber erst in ein paar Millionen Jährchen.«
Anton Dontschew
Die Rückkehr
    Er erwachte. Gewöhnlich wurde er langsam wach, sein Bewußtsein löste sich nur mühsam aus der Welt der Träume, der Halbtöne und Halbschatten, um in die Kabine unter das gleißende Licht der Lampen zurückzukehren. In der Regel hielt er die Augen noch eine Weile geschlossen, ehe er einen Blick auf die vertrauten Lichter, Zeiger und Skalen warf.
    Heute erwachte er ruckartig. Die Zeiger schlugen bis zum Brennpunkt aus, sein Herz hämmerte im Magen, in der Kehle und in den Schläfen zugleich.
    Ein Zeiger, der sich dreißig Jahre nicht einmal von der Stelle gerührt hatte, kreiste um seine Achse. Dann hörte er die Stimme, die Stimme eines Menschen. Sie sprach in einer ihm unbekannten Sprache.
    Seine rechte Hand langte automatisch nach dem Zeiger. Doch als er zum Sprechen ansetzte, versagte seine Stimme.
Die fremde Stimme aber rief weiter nach ihm.
Er richtete die Augen auf den Kontroll- und Autosuggestionsspiegel. Ein verzweifelter, deprimierter, irrer Mann sah ihn an.
»Du bist verrückt«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Der Augenblick ist gekommen. Du kehrst heim zur Erde. Warum läßt du die Mundwinkel hängen? Ja, langsam, so ist’s recht, korrigiere ihre Stellung! Du bist ein Sieger. Grinse nicht, mach den Mund zu! Keiner braucht dein Grinsen mehr. Du bist reich. Du bist stark. Nein, die Tränensäcke verschwinden nicht. Die kommen von der Überbelastung. Aber die Falten auf der Stirn lassen sich glätten. Ich bin reich. Ich bin stark. Ich bin froh. Ich rühre kein Geld an, schreibe nur Schecks aus, verschenke Diamanten.«
Nach und nach korrigierte er seine Gesichtszüge, berührte in Gedanken einen jeden von ihnen und rief Freude, Mut und Verachtung in seinem Herzen wach. Er modellierte so lange an seinem Gesicht, bis es aussah wie die, die vor dreißig Jahren die Wände seines Zimmers geschmückt hatten. Gesichter von starken, selbstbewußten und unbeugsamen Männern.
Sein Blick glitt an den eigenen Augen vorbei, als hätte er Angst vor ihnen. Die schrecklichen Augen im Spiegel schauten ihn durchdringend und fragend an.
Die Stimme rief ihn pausenlos. Sein Herz hatte aufgehört, wild und aufgeregt zu schlagen, schmerzte dafür aber peinigend.
»Hier spricht B 207 R Z«, sagte er. »Hier B 207 R Z. Ich bin zurückgekehrt. Ich bin zurückgekehrt. Ich bin zurückgekehrt.«
Die Stimme sprach kein Englisch, auch kein Russisch.
»No. No. Habla Español?«
In Acapulco wurde spanisch gesprochen. Er sah wieder den langgestreckten Strand, das Meer, den Schaum und die Menschen, viele halbnackte Menschen. Dummköpfe, die sich in der Sonne braten ließen und nicht wußten, welch großes Glück es ist, sich an den Körper eines anderen Menschen zu schmiegen. Der Schmerz in seiner Brust war so heftig, daß seine Gesichtszüge sich wieder verzerrten.
»Hier spricht B 207 R Z. Ich spreche zehn Minuten spanisch. Ich bin zurückgekehrt.«
»Bienvenido! Herzlich willkommen! Wann haben Sie die Erde verlassen?«
»Vor dreißig Jahren.«
»Vor dreißig Jahren? Die Verbindung ist gestört. Was für einen Photonenreflektor hat Ihr Raumschiff?«
Er hatte nur das Wort Photonenreflektor verstanden. »System Lutschko-Senger.«
»Ausgeschlossen! Seit fünfzig Jahren gibt es keine Raumschiffe mit derartigen Photonenreflektoren mehr. Seit fünfzig Jahren sprechen alle Menschen dieselbe Sprache.«
»Welches Jahr schreiben wir überhaupt?«
Die andere Stimme antwortete.
Das also war es. Kaum zu glauben, daß, während er dreißig Jahre gelebt hatte, auf der Erde einhundert vergangen waren.
Er erblickte einen langen Korridor wie im Hotel oder Krankenhaus, auf den in gleichmäßigen Abständen Lichtflecke fielen. Eine Straße mit einer Lampenkette. Am Ende stand eine weiße Gestalt. Eine Frau. Vielleicht seine Mutter, vielleicht auch nicht.
Hundert Jahre. Ein Jahrhundert.
Im Laderaum des Raumschiffes liegt eine Tonne Diamanten. Und die Leiche seines Freundes. Er wird ihm ein Denkmal setzen lassen. Nicht auf der Erde. Unter der Erde. Wo das Licht der Sterne nicht hingelangt. Die Menschen werden durch einen langen, sehr langen Korridor mit einer Lampenkette gehen und eintreten, aus dem Hellen ins Dunkel und dann die Statue seines Freundes sehen. Er wird sie aus purem Gold fertigen lassen, nein, lieber aus weißem

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