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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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drehte sich dem Neuangekommenen zu, als liege ihm daran, unbedingt von ihm bemerkt zu werden, und er grinste frech und herausfordernd. Der Neuangekommene ging an ihm wie an einem Gegenstand vorbei und kam gerade auf Andrej zu.
Sein Gang hatte etwas Hölzernes, er trat übertrieben vorsichtig auf, als seien Löcher im Parkett und als könnte er zufällig in eins hineintreten. Als er in der Tür erschienen war, hatte Andrej gerade nach seinem Glas gelangt und zog, als er ihn sah, die Hand augenblicklich zurück. Jetzt wartete er, und Elena spürte, wie unangenehm es ihm war, daß dieser Mensch die Konditorei betreten hatte.
Einen Schritt vor ihrem Tisch lächelte der Neuangekommene, er lächelte bloß mit seinen dünnen Lippen und sagte: »Willst du mich nicht an euren Tisch bitten?«
Andrej nickte wortlos.
»Aber zuerst wirst du mich doch mit der Kollegin bekannt machen, nicht?«
Andrej zuckte die Schultern und wandte sich an Elena: »Mein Freund… ein Kollege…« Und er nannte aus irgendeinem Grund nicht seinen Namen.
Der Mann setzte sich mit kerzengeradem Oberkörper zu ihnen, als trüge er ein Korsett unterm Sakko, die Schultern gestrafft, das Gesicht unbewegt.
»Willst du was trinken?« fragte Andrej widerstrebend.
Der andere lehnte bloß mit dem Blick ab, als karge er so sehr mit seinen Worten und Bewegungen. Der Mann an der Tür war die ganze Zeit über offenbar ärgerlich, daß er ihr Gespräch nicht hören konnte. Er hatte sich vorgebeugt und hätte seinen Tisch sicherlich an ihren gerückt, wenn das gegangen wäre. Das Barmädchen betrachtete Elena mit stummem Mitgefühl. Was ging da eigentlich vor?
Andrejs Gesicht war betreten und blaß geworden; es wäre zuwenig gewesen, zu sagen, daß die Gegenwart des Neuangekommenen ihn bedrückte und mit Gefühlen erfüllte, die Elena noch nicht begriff. Sie drückte ihm unter dem Tisch die Hand und wandte dem Neuangekommenen wütend ihre kälteste Miene zu. Sein Blick blieb der gleiche, als schaue er nicht in ihr Gesicht, sondern auf das Kognakglas.
»Ja!« begann er unerwartet zu reden. »Unannehmlichkeiten auf der Baustelle. Du mußt unverzüglich hin!«
»Ausgeschlossen!« Andrej schrie es fast, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt und lächelte einschmeichelnd. »Na gut, ja, geht es nicht später… am Abend?«
»Nein!« antwortete der Fremde. »Ich soll dir ausrichten: unverzüglich!«
Andrej holte tief Luft, seine Gesichtszüge wurden hart, was Elena noch nicht an ihm kannte, aber er seufzte bloß, und damit erschlaffte sein Gesicht gleichsam wieder.
»Ich kann nicht einfach so… Du siehst, ich bin nicht allein.«
»Eine halbe Stunde?«
»So? Und wenn ich nun sage, dieses ›unverzüglich‹ soll sich zum Teufel scheren?«
Zum erstenmal erschien im Gesicht des Fremden etwas Menschliches – er lächelte traurig.
»Teurer Andrej«, sagte er unversehens, und das Wort »teurer« klang so ungeschickt, daß es Elena seinetwegen peinlich war. »Das geht nicht von mir aus… Meinetwegen bleib bis zum Abend hier! Ich kann sogar auch dableiben und ein Glas mit euch trinken.«
Er sah Elena an, und im Blick seiner grauen Augen lag Vorwurf oder vielleicht etwas anderes, das er zugleich bedauerte und mißbilligte.
Es schnürte ihr die Kehle zu – sie hatte sich diesen Tag ganz anders vorgestellt.
»Andrej!« sagte Elena. »Jetzt ist keine Arbeitszeit! Sie haben kein Recht! Du hast mir’s versprochen!«
Sie hatte sich alles schon ausgedacht. Schon bevor sie ihre Mutter anrief. Sie hatte eine Freundin, dort konnten sie hingehn und bis zum Abend bleiben.
Andrej starrte weiter vor sich hin, als hätte er ihre Bitte nicht gehört.
»Du wirst nicht hingehn!« sagte Elena noch einmal. »Ich will nicht, daß du hingehst!«
Der Fremde lächelte verächtlich, sein Gesicht war unverändert streng und mißbilligend.
»Hörst du, Andrej? Ich bitte dich!« Und während sie verzweifelt redete, begriff sie, daß sie nirgendwohin gehen würden, daß ihr Nachmittag schon in dem Augenblick verpfuscht war, wo dieser widerliche lederne Kerl mit den Rattenaugen die Konditorei betreten hatte.
Andrej schwieg, er war nicht einmal unschlüssig. Da fiel ihr ein, was sie für ihn hatte tun wollen, und wurde rot.
»Gut, morgen habe ich dann keine Lust, dich zu sehen!«
»Du weißt nicht, was du von mir verlangst«, sagte Andrej und sah sich nach der Serviererin um.
    Ich hatte gerade den dritten Gang eingelegt und Gas gegeben, als ich, wie nicht anders zu erwarten, an der Ampel halten mußte.

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