Kontaktversuche
und sagte: »Komm, wir wollen den ganzen Tag zusammen verbringen, damit wir uns das wiederholen, was wir gestern verloren haben.«
»Gut«, erwiderte er. »Wir bleiben heute den ganzen Tag beisammen.« Seine Stimme lächelte. »Aber du hast noch nicht zu Mittag gegessen.«
»Und wer will dick werden?«
Jetzt lächelten seine Augen.
»Wenn du willst«, sagte sie da, »können wir in unsere Konditorei gehen. Ein belegtes Brot und einen Kaffee.«
»In die Konditorei? Aber dort muß ich mich an nichts erinnern, ja?«
Sie wurde rot.
»Du bist ein liebes Mädchen. Ich habe immer lieber geschwiegen und dir zugehört.«
Wenn er Gedanken lesen kann, bin ich verloren, dachte sie. Während ich gestern in der Konditorei und danach auf seinen Anruf gewartet habe, habe ich Sachen gedacht und Pläne geschmiedet…
»Du bist ein liebes Mädchen«, wiederholte er. »Ich weiß nicht, wieso ich dir noch nicht gesagt habe, daß ich Ingenieur bin… Gestern bin ich auf einer Baustelle aufgehalten worden, und als ich dich anrufen wollte, war das Telefon kaputt!«
Lieber Himmel! Wenn er nun meine Gedanken auch an dem Tag gelesen hat, wo wir allein im Zimmer waren und außer uns niemand da war!
»Du hast dich mir gegenüber immer großmütig gezeigt… einem Provinzler, der erst seit zwei Monaten hier ist.«
Elena wurde es heiß. Die Sonne schien ihr gerade in die Augen, sie machte sie zu und versank in rosa Blindheit.
»Ich bin so glücklich, daß ich dir begegnet bin!«
»Aber du haltest auch einer andern begegnen können…«
Er gab keine Antwort, und sie dachte, daß sie sich schlecht in der Gewalt hatte – die übermäßige Erregung deformierte ihre Gefühle und verkehrte sie ins Gegenteil. In Wahrheit hatte sie schon Angst, an ihn und an sich zu denken…
In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sich in der Konditorei nichts verändert, außer daß es nicht mehr so schwül war. Ansonsten schien die Serviererin ihren Schwatz mit dem Mädchen an der Bar noch nicht beendet zu haben. Sie stand mit dem Rücken zu den Tischen, die Tische spiegelten sich in dem Spiegel und hingen gleichsam über ihrem Kopf. Das Mädchen hinter der Bar sah sie wie gestern mit dem gleichen Neid in den Augen an und sagte leise etwas zu der Serviererin. Die drehte sich um, schaute aber nur Andrej an.
Der Tisch in der Ecke war besetzt, und sie setzten sich in die Nähe der Tür. Die Serviererin kam sofort, sah aber wieder nur Andrej an. Ihre Augen quollen leicht vor, und Elena meinte, das sei vor Bewunderung.
»Was wünschen Sie?« flötete die Serviererin.
»Kognak, Kaffee und ein belegtes Brot.«
»Die belegten Brote würde ich Ihnen nicht empfehlen.«
»Dann ein Stück Gebäck«, sagte Elena.
Die Serviererin rührte sich nicht.
»Ein Stück Gebäck nach Ihrer Wahl«, sagte Andrej, und die Serviererin lächelte ihn an.
Elena dachte schadenfroh, daß dieser Frau gleichsam ein Schnurrbärtchen auf der Oberlippe sproß, wenn sie lächelte.
Als sich die Serviererin entfernte, um das Bestellte zu holen, legte Elena den Kopf auf Andrejs Schulter. Sie hatte sich nun schon ein bißchen gefaßt, der gestrige Tag beunruhigte sie nicht mehr, und wer weiß, vielleicht gab es ihn gar nicht, und er war ein Traum…
»Es geht los!« sagte die Serviererin, als sie zu dem Mädchen an der Bar kam.
In diesem Moment betrat ein Mann die Konditorei, der Elena bekannt vorkam. Er setzte sich direkt neben die Tür, steckte sich eine Zigarette an und starrte sie an. Sein Gesicht war abstoßend neugierig und, wie es schien, spöttisch…
Die Serviererin brachte den Kognak, den Kaffee und das Gebäck und stellte alles vor Andrej hin. Andrej schob Kaffee und Gebäck aufmerksam zu Elena hinüber, aber trotzdem sagte die Serviererin nur zu ihm: »Ich hoffe, es wird Ihnen schmecken. Es ist ganz frisch.«
Sie meinte das Gebäck. Wieder lächelte Elena – wenn es etwas gab, das Andrej gar nicht mochte, dann war das Gebäck. Und gleichsam in irgendeinem Zusammenhang mit dem Gebäck fiel ihr ein, warum ihr das Gesicht des Mannes am Tisch beim Eingang bekannt war. Es war derselbe, mit dem sie gestern fast zusammengestoßen wäre. Und sie bemerkte noch, daß er nicht sie ansah, sondern Andrej. Seine Neugier kümmerte indes ihren Freund nicht, er saß gleichmütig da und schien nichts zu bemerken.
Andrej wurde später unruhig, als ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einem schmalen Gesicht und kleinen Augen die Konditorei betrat. Überraschend war auch das Benehmen des anderen bei der Tür. Er
Weitere Kostenlose Bücher