Kontaktversuche
daß sie hier auch zu der Idee der Nichteinmischung gelangt sind. Wieso hast du dir erlaubt, den Regen anzuhalten?«
»Ich wollte es eben!«
»Es wäre gut, wenn du es dir nach einer Weile verkneifen
würdest, diese Antwort zu wiederholen.«
»Hat das etwas zu bedeuten? Ich sage doch den wahren
Grund.«
»Bestimmt hat es etwas zu bedeuten. Im allgemeinen hat man
Antworten lieber, in denen die Zerknirschung überwiegt, man
nicht so viele Erklärungen gibt und jede Provokation vermeidet.«
»Ich provoziere niemanden!«
»Du bist sehr selbstsicher, glaubst, du wirst so davonkommen. Aber der Oberste mußte sich gestern mit einem anderen
Problem befassen und hat deshalb deine Sache auf heute verschoben. Eigentlich wollte ich dich nicht danach fragen, aber
da wir ja beide wissen, daß sie dir’s nicht nachsehn werden:
Warum läßt du nicht die Finger von diesem Mädchen?« »Warum ich die Finger nicht von ihr lasse?«
»Genau! Und damit gegen die Instruktion über die Kontakte
verstößt! Wegen dieses Mädchens hast du dir etwas Unerhörtes
erlaubt – du hast in die Naturerscheinungen dieses Teils des
Planeten eingegriffen!«
»Ich wollte sie unbedingt sehen, der Regen hätte das verhindert.«
»Unsinn! – Ich kann mir nicht vorstellen… Selbst wenn es
keine Instruktion gäbe, was können wir mit ihnen gemein
haben?«
Was sie gemein haben konnten? Die Frage war weder neu
noch originell – Andrej stellte sie sich fast jeden Tag. Immer,
wenn er Elena begegnete, gab er ihr die Hand, und der große
grüne Stein an ihrem Ring beirrte ihn. Natürlich war das
dumm, ein völlig lebloser Stein von elementarer Struktur, aber
er bildete sich ein, Schwingungen und so etwas wie einen
Hilferuf wahrzunehmen. Doch nicht der Stein war der Grund, nicht der Stein veranlaßte ihn, gegen die Instruktion zu verstoßen, sondern Elena. Er ließ sich keine Gelegenheit entgehen, sie zu berühren. Er tat es zart und behutsam, als fürchte er, mit seinen nach hiesigen Begriffen groben Fingern die zarte Haut des Mädchens zu verletzen, und empfand absolut nichts dabei. In dem Mädchen riefen die Berührungen eine Skala reichhaltiger, komplizierter Empfindungen hervor. Er verstand diese Empfindungen nicht immer, oft zeigten sie sich in überraschenden Varianten, stellten ihn vor Rätsel und hatten in jedem Fall nichts mit ihm gemein. Warum dann? Er lächelte kläglich – wenn er sich darauf eine vernünftige Antwort hätte geben können, müßte er wahrscheinlich jetzt auch nicht auf die Fragen des Obersten antworten. Die Fragen des Obersten waren etwas mehr als ein Verhör – sie bedeuteten beinahe die Verur
teilung!
Während er seinen Begleiter ansah, der schon die Gestalt verloren hatte, die er für gewöhnlich annahm, um sich ungehindert
in der Stadt bewegen zu können, entsann sich Andrej, wie er
Elena zum erstenmal begegnet war…
Sie kam ihm auf der Straße entgegen. Es war später Nachmittag, die Zeit, wo sich die Leute fragen, wo sie hingehen und
wie sie den Abend verbringen sollen. Dieses Bestreben, unbedingt etwas zu machen und die Zeit totzuschlagen, wo ja das
menschliche Leben so verzweifelt kurz war, war unerklärlich
und blieb ihm lange ein Rätsel. Während er sich fragte, worin
die Macht der Gewohnheiten lag, warum die einen sich des
Geruchs von Alkohol erinnerten und andere an Frauengesichter
oder irgendwelche anderen seltsamen Dinge, kam Elena weiter
auf ihn zu. Doch damals war sie noch nicht Elena, sondern ein
ruhiges, vielleicht ein bißchen müdes Mädchen, das sich über
das goldige Licht, den leichten Windhauch, die Silhouette des
Gebirges freute, die sie fast unbewußt mit einer von Kindheit
an eingewurzelten Gewohnheit aufnahm. Dann trafen sich ihre Blicke, er sah in ihren Augen eine plötzliche Überraschung und in ihrer Seele Bedauern. Dieses Bedauern bewog sie, stehenzubleiben und sich nach ihm umzudrehen. Sie schämte sich dessen, ihr Gesicht wurde rot, wahrscheinlich würden ihre Augen gleich in Tränen schwimmen, aber das Bedauern, daß sich dieser Augenblick nicht mehr wiederholen werde, hielt sie auf der Stelle fest… Andrej war an ihr vorbeigegangen, blieb jedoch voll Neugier ebenfalls stehen, machte kehrt und ging
auf sie zu.
Dennoch stellte er bei dieser ersten Begegnung gleichsam
mehr einen Kontakt mit dem Stein an ihrem Ring her als mit
ihren schlanken Fingern. Jenes Erschauern Elenas, ihr Erstarren in unendlicher Erwartung, durch die Berührung seiner
Finger hervorgerufen, entdeckte er später. Damals
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