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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Als hätte ich nicht gesehen, daß Gelb war, als ich anfuhr. War ich denn so erregt? Ich kann nicht sagen, ich hätte erwartet, daß unbedingt auch Stoitschkow auftauchen mußte, als ich den jungen Mann sah. Ich war auch nicht mit Vorbedacht in die Konditorei gegangen – ein gewöhnlicher Zufall, den wir hinterher als Vorahnung qualifizieren…
    Ich hatte es mächtig eilig, wollte in der Dienststelle sein, bevor Stoitschkow diese Konditorei verlassen hatte, schaute aber länger als eine halbe Sekunde auf das grüne Licht und merkte nicht, daß ich freie Fahrt hatte. Ich merkte es erst, als der Taxifahrer hinter mir nervös auf die Hupe drückte. Nun war ich fest überzeugt, daß ich nicht einem Doppelgänger Stoitschkows begegnet war, solche Doppelgänger gab es nicht und konnte es nicht geben. Zumindest die Kleidung wäre anders gewesen! Und der Fleck auf seinem Revers? Seit zehn Tagen redete er davon, das Sakko zur Reinigung zu bringen… Ganz zu schweigen von der Beinprothese, die Stoitschkows Gang ein bißchen steif machte und den Eindruck hervorrief, er fürchte in ein Loch zu treten. Doch diese Teilnahmslosigkeit? Gerade die Teilnahmslosigkeit, die er nicht nur mir, sondern auch dem jungen Mann und dem Mädchen gegenüber gezeigt hatte, machte mich schwankend. Stoitschkow konnte nicht teilnahmslos sein, selbst wenn er wollte. Während ich mit unzulässiger Geschwindigkeit in die Dienststelle raste, fiel mir aus irgendeinem Grund der Blick des jungen Mannes ein. So einen Blick hatte ich bisher noch nicht gesehen. Seine Augen schienen zu lauschen, das Mädchen neben ihm war gleichsam ein Kammerton, nach dem er sich einstimmte…
    Als ich den Wagen anhielt, stieg ich, so eilig ich es auch hatte, doch nicht gleich aus. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging, die Hände aufs Lenkrad gelegt, noch einmal alle Für und Wider in Gedanken durch. Konnte Stoitschkow einen Doppelgänger haben? Wenn nicht, warum verheimlichte er dann vor mir seine Begegnungen mit dem jungen Mann? Oder warum tat er es auf diese Weise, wenn er sie schon verheimlichen mußte? Keine einzige Antwort auf diese Fragen konnte mich richtig überzeugen.
    Dann stieg ich aus dem Wagen, ging langsam quer über das Trottoir und stieg noch langsamer die Treppe hinauf. Ich fühlte mich schrecklich unsicher. Vor Stoitschkows Tür blieb ich stehen, holte tief Luft und klopfte an.
    »Ja!« Stoitschkows Antwort von drinnen kam wie ein Schuß. Die Hand, mit der ich nach der Klinke gefaßt hatte, zitterte und war schon schweißnaß. Ich machte die Tür auf, Stoitschkow saß an seinem Schreibtisch, er saß seit wer weiß wann da, wahrscheinlich seit dem Morgen. Er schaute ärgerlich auf… Wieder irgendeine idiotische Frage? Hast du’s nicht über? las ich in seinen Augen, aber das war meine subjektive Auslegung. Stoitschkow wurde nicht gern gestört, wenn er nachdachte. Ich nickte und machte die Tür sofort wieder zu.
3
    Als Andrej zu Elena sagte, er sei seit zwei Monaten hier, hatte er nicht gelogen, wiewohl die Begriffe Wahrheit und Lüge in diesem Fall so relativ und unklar waren, daß es nicht lohnte, darüber nachzudenken. Vielleicht ist eine kleine Präzisierung nicht überflüssig – »hier« bezog sich nicht nur auf Sofia, sondern auch auf Objekte von der Größenordnung des Planeten, ja sogar der Galaxis, doch damit würden wir uns auf ein für das objektive menschliche Denken allzu unglaubwürdiges Gebiet begeben. Es würde nichts zu der Klärung beitragen, nach der Elena trachtete. Im Gegenteil, es hätte sie noch mehr verwirrt, und das hatte das Mädchen nicht verdient. Ebenso die Frage des Regens, der im Begriff war zu fallen und dann wer weiß warum nicht fiel. Sie faßte es nur als Scherz auf, mehr hatte Andrej auch nicht beabsichtigt.
    Übrigens mußte Andrej jetzt auf diese Frage Rede und Antwort stehen, doch an anderem Ort und vor jemand anderem. Er wußte, daß ihm das nicht so durchgehen würde, nichts würde ihm durchgehen, nun war das gekommen, was ihm schon die ganzen fünfzehn Tage gedroht hatte.
    Nachdem sie Elena nach Hause gebracht hatten, sah ihn sein Freund mitleidig an. »Es heißt, wenn jemand einmal hineingeschlittert ist, wäre sein Hang zum nächsten Hineinschlittern beinahe unbezwingbar… Das habe ich in einem hiesigen Buch gelesen.«
    »Was anderes hast du nicht gelesen? Zum Beispiel, daß lässige Menschen sich oft ein künstliches Gebiß machen lassen müssen?«
    »Stell dir vor, wie sehr es mich überrascht hat,

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