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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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entdeckte er
überhaupt alles mit Verspätung. Von der ersten Begegnung war
ihm das Erröten des Mädchens in Erinnerung geblieben, ihre
verzweifelten Willensanstrengungen, der Unsinn, den sie geredet hatten. Dieser Unsinn hatte Elena furchtbar aufgeregt, ihn
überraschte die Bedeutung, die er für sie hatte. Dann las er in
ihrem Bewußtsein den Wunsch, er möge Andrej heißen. So
wurde er zu Andrej.
Am Tag darauf gingen sie ins Kino – eine primitive Form der
öffentlichen Vorführung mutmaßlicher Gedanken. Elena saß
unbeweglich neben ihm. Ihre bis zu den Schultern bloßen
Arme lagen auf ihrem Schoß. Sie hatte rührende Schultern, zart
und doch unzureichend gerundet, um den spitzen Ansatz der
Schlüsselbeine zu verbergen. Die Hände lagen ruhig da, aber er
merkte sofort, daß diese Ruhe willkürlich war.
Sie wollte die Hand auf die Seitenlehne zwischen seinem und
ihrem Sitz legen. Sie wollte es und fürchtete sich zugleich; er
gewahrte die Bedeutung, die sie der einfachen Bewegung
zuschrieb – dem Verschieben der Hand –, und verstand es
nicht, ebensowenig wie er verstand, was sie zurückhielt. Da streckte er die Hand aus und berührte ihren Arm ein wenig oberhalb des Ellenbogens. Ihre Haut war glatt und kühl. Bevor sie ins Kino hineingegangen waren, hatten sie sich die Hand gegeben, und er hatte nichts weiter bemerkt als ein kurzes Erschauern. Jetzt ging mit Elena etwas Seltsames vor. Sie saß genauso reglos da und tat, als schaue sie auf die Leinwand. Der Film lief in Stücke gerissen vor ihr ab, Gedanken quälten sie, die er noch nicht zu entziffern vermochte. Eine Haarsträhne war ihr übers Ohr gefallen, ihr Gesicht und Hals waren von
Röte übergossen wie gestern.
Elena brannte gleichsam, doch die Haut ihres Armes blieb
kühl. Dann preßte sie seine Finger, aber damals wie auch spä
ter, während der ganzen Zeit, empfand er absolut nichts. Danach verließen sie das Kino, und Elena sagte, der Abend
sei wunderbar grün. Er sagte nichts von den Farben, die er
selber sah. Wieder wehte es leicht vom Gebirge, und ihr Körper empfand den Lufthauch als angenehm. Sie gingen auf ein
paar Bäume zu, und als sie in ihrem Schatten waren, machte
sich in Elenas Körper auf einmal unruhige Erwartung bemerkbar. Ihr Atem wurde leiser, sie preßte unbewußt die Arme an
den Körper, beschleunigte ihre Schritte. Noch interessanter war
ihr Wunsch, diese Unruhe zu unterdrücken, sie dachte nicht
eben schmeichelhafte Dinge von sich selbst, fürchtete sich,
genau wie im Kino, und zugleich war ihr dieser Zustand nicht
ganz unangenehm. Als sie ins Helle kamen, schien sie sich zu
beruhigen, aber er sah, wie in ihrem Körper weiter unbegreifliche Erwartung flackerte.
Voll Spott dachte Andrej, daß gerade an diesem Abend, obwohl ihm da der Stein an ihrem Fingerring vertrauter und
verständlicher erschien, seine Neugier auf ihr Fleisch erwachte.
Es besaß wundersame Eigenschaften und enthielt Möglichkeiten für Empfindungen, von denen seine mächtige Welt nicht
einmal ahnte, daß es sie gab. Ob er imstande war, das dem Obersten zu erklären? Oder ihm den Abend zu beschreiben, als
sie zum erstenmal tanzen waren?
»Kannst du nicht tanzen?« hatte Elena einmal gefragt. »Warum gehst du nicht einmal mit mir tanzen?«
Er schaute ihr ins Gesicht und bemühte sich, ihre Vorstellungen zu sehen. In ihrem Bewußtsein lag das Bild eines Lokals
mit Orchester. Auf dem freien Platz zwischen den Tischen
hielten sich Männer und Frauen umfaßt und bewegten und
wiegten sich rhythmisch. Er lächelte belustigt – auch diese
Beschäftigung gehörte zur Kategorie »Zeit totschlagen«. »Jetzt tut’s dir leid, daß du mich noch nie eingeladen hast,
wie? Paß nur auf, daß dir’s hinterher nicht wirklich leid tut.« »Warum?« staunte er. »Einmal hast du gesagt, es ist dir lieber, wenn wir miteinander reden.«
»Jetzt wär’s mir lieber, wenn wir tanzen gingen!«
Sie waren auf der Straße, auf dem Fahrdamm fuhr Auto an
Auto, in der Nähe klingelte eine Straßenbahn, in Elenas Augen
erschienen die Leute, die an ihnen vorbeigingen, und verschwanden wieder. Doch er spürte, daß in ihrem Körper ein
Rhythmus aufgekommen war. Dieser Rhythmus glänzte in
ihrem Blick, zitterte auf den halbgeöffneten roten Lippen,
schien aus ihren Fingerspitzen zu entspringen.
»Wollen wir heute abend nicht tanzen gehen?«
    Das Bild in dem Lokal war fast genau so, wie er es in Elenas Bewußtsein gesehen hatte. Nur daß es außerdem noch furchtbar verraucht war, es roch

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