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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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schien sie selbst rasch wieder zu vernichten, bevor sie sich ganz gebildet hatten.
»Mir ist kalt!« Elena erschauerte plötzlich. »Gehen wir.«
Andrej führte sie in Richtung auf die Straße, merkte aber, daß sie nur widerstrebend mitkam, doch er wagte nicht, ihr vorzuschlagen, noch ein bißchen unter den Bäumen zu bleiben. Zum zweitenmal an diesem Abend war er unfähig, die Barriere ihrer Selbstvergessenheit zu überwinden.
Einen Teil des Weges legten sie mit der Straßenbahn zurück. In dem hell erleuchteten, leeren Wagen dachte Elena ein paarmal: Ich dummes Ding! Mein Gott, was für ein dummes Ding! Und wich seinem Blick aus. Sie ahnte nicht, daß er sie selbst dann sah, wenn er ihr den Rücken zukehrte.
Dann gingen sie durch irgendein Gäßchen, und als sie vor ihrem Haus anlangten, sah ihn Elena lächelnd an, nahm unerwartet seinen Kopf in die Hände, küßte ihn auf den Mund und lief die Treppe hinauf.
Als sie sich am Tag darauf trafen, wußte Andrej inzwischen, was hinter ihrer Versunkenheit steckte. Er führte sie in eine Seitengasse, und dort küßte er sie. Elena schien ihn zurückstoßen zu wollen, schloß aber nur die Augen und drängte sich an ihn.
»Ich dachte, du wärst schrecklich schüchtern!« sagte sie danach verwirrt. »Aber küß mich nicht wieder auf der Straße, ich bin Lehrerin, ein Schüler könnte mich sehen.«
Sie sagte es und vergaß ihre Worte auf der Stelle.
Dann küßten sie sich in der Konditorei, in die sie ab und an gingen, im Park unter den Bäumen, und Andrej merkte bald, daß die Küsse gleichsam ein für Elena sehr wichtiger Übergang waren. Jedesmal, wenn er sie nach Hause brachte, dachte Elena besorgt, obwohl sie sich den ganzen Tag geküßt hatten: Sicherlich hat er mich schon über… Ich bin wirklich eine dumme Gans. Wieso ist er denn so schwer von Kapee?
Da – schon wieder verschränkt er die Hände! Weiß er denn nicht, was er Besseres damit anfangen kann? – Er spürte, wie ihre Schultern zuckten und seine Hände riefen, doch ihre Gedanken gerieten durcheinander, wie eine Welle stieg erneut jenes Etwas in die Höhe, das seinerzeit ihr Verlangen vor ihm verborgen hatte, daß er sie küßte. Was wollte sie jetzt verbergen?
Und dann kamen jene Augenblicke vor vier Tagen. Sie lud ihn zu sich nach Hause ein. Es war am frühen Nachmittag, als die glühendheiße, schwüle und benommene Stadt kaum atmen konnte.
»Ich habe eine Menge Hefte zu korrigieren… Warum kommst du nicht mit zu mir? Es ist niemand da, Mutter ist zu meinem Bruder gefahren und kommt erst morgen wieder.«
Sie lachte fröhlich, um nicht verlegen auszusehen.
»Du wirst sehen, ob ich fleißig bin! Deshalb vergiß nicht – ich werde arbeiten, und du wirst zuschaun. Nur zuschaun!«
In dem Zimmer, in das sie ihn führte, war es kühl und dämmrig. Elena erklärte ihm, daß ihre Mutter über Nacht die Fenster offenließ und sie frühmorgens zumachte und die Vorhänge vorzog – die einzige Möglichkeit, ein wenig von der Nachtkühle zu bewahren. Andrej wüßte das, wie er auch das Zimmer kannte, er hatte es mehr als einmal in Elenas Bewußtsein gesehen.
Sie setzte ihn in den Sessel am Fenster.
»Hier bleibst du die ganze Zeit sitzen!« sagte Elena und half ihm beim Hinsetzen, als wäre er ein Kind.
Ihre Knie berührten die seinen, und sie trat augenblicklich zurück.
»Hier bleibst du sitzen und stehst nicht auf, nicht wahr? Aufstehn darfst du nur, während ich Kaffee kochen gehe, aber wenn ich wiederkomme, will ich dich wieder im Sessel vorfinden.«
Sie redete weiter in diesem spöttisch-strengen Ton, aber er sah, wie unsicher und schwankend sie war. Sie bereute nicht, daß sie ihn eingeladen hatte, im Gegenteil – sie war ihrer Freude noch nicht Herr, daß endlich ein passender Augenblick gekommen war und sie den Mut gefunden hatte, ihn auszunutzen.
Als sie mit einem Tablett in den Händen aus der Küche zurückkam, waren ihre Gedanken kühl und sachlich: Nur die Hefte! Ich habe dreiundzwanzig Hefte und kein bißchen Zeit! – Er hat’s versprochen und wird sein Versprechen halten. – Ebenso sachlich und kühl war ihr Gesicht, aber sie war sich nicht bewußt, daß ein anderer Gedanke sie gleichzeitig fast zur Verzweiflung trieb: Mutter fahrt erst im nächsten Monat wieder zu meinem Bruder…
Elena setzte sich drüben hin, an das Tischchen, wo der Stoß Hefte lag. Sie nahm einen großen roten Bleistift, schlug eines der Hefte auf, schüttelte den Kopf und stand unversehens auf.
»Da schau!« sagte sie und

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