Kontaktversuche
nach Alkohol und Küche. Elenas Bewußtsein hatte nur die für sie angenehmen Einzelheiten aufbewahrt.
Sie warteten ein Weilchen in der Ecke, bis ein Tisch frei wurde. Der Tisch stand neben einem Pfeiler, nicht weit vom Orchester. Die Musiker legten sich derart ins Zeug, daß der Pfeiler, wie es Andrej schien, dem Ansturm der Töne kaum standhielt. Und jetzt werde ich tanzen müssen! dachte er. Schön, aber wozu ist dieser Lärm? Der Lärm veränderte Elena jedoch derart, daß sich ihre Wangen wieder röteten, und der Rhythmus, den sie schon auf der Straße in sich gehabt hatte, machte ihren Blick verträumt und ein bißchen zerstreut.
Zuerst mußten sie etwas zum Abend essen und eine Flasche Wein bestellen. Der Kellner schenkte ihre Gläser voll. Elena nahm das ihre, beugte sich zu Andrej und sagte ernst: »Auf das Schönste, was du jetzt denkst!«
Er dachte, ob es nicht möglich wäre, das Orchester auf irgendeine Weise zum Schweigen zu bringen. Nur das Bild in Elenas Bewußtsein hielt ihn zurück: sie beide aneinandergedrängt auf der Tanzfläche stehend und das Orchester toller denn je. Da beschloß er, sich von den Bildern in ihrem Bewußtsein leiten zu lassen, solange sie in dem Lokal waren.
So sah er rechtzeitig ihren Wunsch, daß sie jetzt aufstünden und tanzten. Zuvor war einer der Musiker ans Mikrofon getreten und hatte etwas von Verliebten gesagt. Die Worte erfüllten Elena unerwartet mit dem Verlangen nach Nähe, sie streckte in Gedanken die Arme aus und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Wollen wir tanzen?« fragte er.
Sie hatte gleichsam keine Kraft zu antworten und nickte bloß. Als er den Arm um sie legte, spürte er die ihm schon bekannte Unruhe und Erwartung, aber jetzt war es nicht dasselbe.
»Ich wußte nicht, daß du so großartig tanzt!« flüsterte sie.
Andrej lächelte. In Wahrheit tanzte Elena, und er verfolgte in ihrem Bewußtsein, was sie von ihm erwartete. Heute verhielt sich Elenas Körper merkwürdig, er war nachgiebig und zugleich fremd, drängte sich an ihn und wich zurück, verfiel immer mehr in eine Versunkenheit, die ihm unzugänglich war… Während sie tanzten, schien sie ihn nur durch den Tanz wahrzunehmen. Andrej war für sie gleichsam nur Rhythmus und Bewegung, der sie sich leidenschaftlich fügen wollte, doch jedesmal hielt sie etwas zurück, und ihre Gedanken versanken irgendwo, um danach verwirrt und ein bißchen schuldbewußt wiederzukehren.
Später dann, als sie zum zweitenmal aufstanden, um zu tanzen, erschien in ihr noch etwas anderes, das ihre Empfindungen in ein ungewöhnlich kompliziertes Geflecht verwandelte. Jetzt hatte Elena nicht aufgepaßt und er natürlich auch einen Fehler gemacht.
»Ich bin müde«, sagte sie schließlich. »Du bist mir doch nicht böse, wie?«
Er wußte bereits, daß sie Angst vor ihm hatte und möglichst rasch auf ihren Platz zurück wollte. Einen Augenblick lang stand sogar Schreck in ihren Augen.
Dann tanzten sie noch zwei-, dreimal, aber es fiel blaß aus. Elena zwang sich bloß seinetwegen zum Tanzen und Lustigsein.
»Besser, wir gehen«, schlug er vor. »Hier kann man ja nicht mehr atmen!«
»Gut!«
Und sie dachte dabei: Ich bin verloren! Nun bin ich verloren!
Sie gingen über die kleine Brücke über den Teich und kamen auf die Allee. Vor ihnen lagen zwei Wege: zu den mächtigen, dunklen Bäumen des Parks oder zum unnatürlich weißen Licht der Straße, von wo noch Autogeräusche herüberdrangen.
»Komm!« flüsterte Elena und nahm seinen Arm.
Als sie unter die Bäume kamen, sahen sie, daß es im Park nicht gar so dunkel war. Die Bäume strömten Kühle aus, es roch nach Laub und Gras. Unter ihren Füßen knirschte leise der Sand der Allee. Vor ihnen verlor sich der Park im Geflimmer der Sterne, und das warf keinen Schatten, haftete nur an den Blättern der Bäume, wovon sie weich schimmerten.
Unter einem Baum mit einer mächtigen ausladenden Krone blieb Elena stehen und wandte sich Andrej zu. In der Dunkelheit war die Spannung auf ihrem Gesicht nicht zu sehen, es war jetzt gleichsam kleiner, ein von den Sternen erhellter Fleck, der ihn sanft ansah und wartete. Er entsann sich des Kinos und legte ihr die Hände auf die Schultern, aber das veränderte nichts. Ihre Schultern waren warm, und er berührte sie nur ganz leicht, denn er wußte, daß Elena in die Knie gehen würde, wenn er die Hände mit ihrem ganzen Gewicht darauf legte. Sie schwieg. Mitunter nahm er in ihrem Bewußtsein sich bildende Wörter wahr, aber sie
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