Kontinuum des Todes
Blitzen vor sich auf dem Gang. Ein kurzes Aufleuchten, das sofort wieder verschwunden war.
Sekunden später flackerte es erneut an ihm vorbei.
Als es erlosch, ertönte ein lauter Schrei.
19.
Erica schrak von ihrem Bett hoch, als Varl in ihre Kabine stürmte. Sie war nackt, das Bettuch glitt von ihr ab, entblößte ihre Brust und ihren Oberkörper.
»Kurt!« Der Schreck ließ ihre Stimme schrill erklingen. »Was, zum Teufel, ist los?«
Wieder ertönte der unartikulierte Schrei, der in ein furchtbares Gurgeln überging. Er mußte aus einer menschlichen Kehle stammen. Plötzlich wurde dieses Geräusch durch den dröhnenden Alarm des Schiffes übertönt. Varl fluchte, griff nach dem Interkom, ließ eine Hand auf den Kontrollknopf herabsausen.
»Alarm abstellen! Abstellen, verdammt!«
Das Heulen verstummte, hinterließ eine relative Stille, die nur von fernen, aufgeregten Stimmen, die immer lauter wurden, unterbrochen wurde. Dann, als wenn ein spitzer Nagel über Schiefer kratzte, hörte Varl ein dünnes, pfeifendes Stöhnen.
»Gott!« Erica stand jetzt da, ohne daß ihre Nacktheit sie zu stören schien. »Kurt …«
»Ich glaubte schon, du wärst es.« Die Erleichterung ließ ihn kurz angebunden sein. »Hör mal!« Er hatte eine Hand erhoben. »Den Korridor weiter runter. Benachrichtige Stacey!«
Varl wandte sich wieder an den Interkom, während Erica sich ein Laken umhängte und hinausrannte. »Was sollte der Alarm?« fragte Varl Machen in der Zentrale. »Meldung!«
»Ein Zwischenfall außerhalb des Schiffes. Einer der Arbeiter von draußen rief um Hilfe, dann wurde der Kontakt unterbrochen. Ich habe sein Arbeitsgebiet absuchen lassen, aber er war nicht zu finden.«
»Kann er vom Schiff weggetrieben worden sein?«
»Wenn ja, warum kommt dann kein Hilferuf mehr? Er hat ein Funkgerät bei sich. Ich konnte ihn nicht entdecken.«
Wenn er abgetrieben war, konnte man ihn finden; in seinem Schutzanzug drohte ihm keine unmittelbare Gefahr. »Sonst noch etwas?« Varl hielt kurz die Luft an, als Machen verneinte. »Weiter gut aufpassen. Suchen Sie weiter nach dem Mann, aber bitte keinen Alarm mehr, es sei denn, wir werden angegriffen.«
Das Wimmern wurde lauter, als Varl jetzt den Gang hinunterlief.
Es kam aus der Kabine, in der Varl die Liebenden angetroffen hatte; die Tür schien von innen verrammelt worden zu sein. Sam Mboto wandte sich um, als Varl herankam.
»Sie klemmt«, sagte der Mann.
»Zurück.« Varl hob einen Fuß und trat mit dem Stiefel gegen die Tür. Nach dem dritten Tritt gab sie nach, er stürmte hinein, blieb nach drei Schritten abrupt stehen, wandte sich um, um den Brechreiz zu unterdrücken.
»Zurück!« Mboto drängte herein, andere wollten ihm folgen. »Los, alle wieder zurück!«
Die Anweisung kam zu spät – Carter war auch eingetroffen und konnte, im Gegensatz zu Varl, die starke Übelkeit nicht unterdrücken. Er wandte sich ab, übergab sich dann aber. Gloria Arie, eine Frau aus einer Nachbarkabine, lag zusammengekrümmt und ohnmächtig am Boden.
»Los, ’raus hier«, sagte Varl. »Verschwindet – oder wollt ihr so enden wie er?«
Iwan Yegorovich war tot.
Jedenfalls konnte kein Lebewesen, dem man so mitgespielt hatte, noch lebendig sein. Doch trotz des aufgerissenen Körpers, der offenen Lunge und der Leber schien das Herz noch zu schlagen.
Die Lungen bewegten sich noch.
Und was, um Gottes willen, wimmerte unter der Kopfbandage noch leise vor sich hin?
Varl trat an den Gepeinigten heran, und nach zwei, drei gekonnten Griffen verstummte das Wimmern.
Das dünne Jaulen aber blieb.
»Rachel! Rachel, es ist vorbei. Alles vorbei; was ist geschehen?«
Die Frau kniete am Boden. Sie schien unverletzt zu sein, antwortete aber nicht. Statt dessen schaukelte sie von einer Seite zur anderen, jammerte dabei ohne Unterbrechung wie eine mechanische Puppe, deren Sprechmechanismus defekt war.
»Mein Gott!« Stacey traf, begleitet von Erica, ein. Er starrte auf das Blut am Boden, dann zu Varl und dessen blutverschmierter Hand, dann zu dem Mädchen. »Überlaßt das mir.«
Der Arzt wühlte ein paar Sekunden in seiner Tasche herum, dann kam er mit einer Spritze wieder hervor. Als die Frau das Gerät sah, verstummte sie plötzlich und wich vor dem Arzt zurück.
»Ich muß wissen, was passiert ist«, sagte Varl.
»Sie befindet sich im Schock.«
»Ich muß es trotzdem wissen. Es ist wichtig.«
Stacey hielt kurz inne, tauschte dann die Spritze gegen ein Spray um. Vorsichtig
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