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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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lächelte gequält und versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der Kommissar trat nach. »Was hast du eigentlich mit den Latexhandschuhen vor, ich war doch gerade erst beim Urologen!«
    Jetzt kam richtig Stimmung auf in der Bude. Aber was war mit Brecker los? Normalerweise sprang er auf solche Späße sofort an und setzte in der Regel noch ordentlich eins drauf – aber er saß nur regungslos und gedankenverloren da, starrte auf die Holzplanken und ließ den Schweiß von seinem Kinn tropfen.
    Rünz’ Temperaturhaushalt war zwar längst am Limit, aber in wenigen Sekunden würde der beleidigte Meister aus dem Holzzuber sicher kaltes Wasser über die heißen Ofensteine gießen, und die paar Sekunden bis zur Abkühlung würde er noch durchhalten. Jetzt, wo gerade etwas familiäre Atmosphäre aufkam. Vielleicht würde er doch öfter mal reinschauen.
    Dann verteilte Herr Knöppke die ersten Kellen Wasser über dem Höllenofen, und der Kommissar erhielt eine äußerst schmerzhafte Nachhilfestunde in Mittelstufenphysik: Wasser + Hitze = Wasserdampf. Heißer Wasserdampf. Die Glutwolke traf ihn wie ein pyroklastischer Strom, ein feuriger Faustschlag, er fühlte sich, als würde ihn der tote Ober-Ramstädter Schlosser posthum mit dem Gesicht in die glühenden Kohlen seiner Esse drücken. In wenigen Sekunden würden sich sein Gesicht und sein ganzer Oberkörper in eine einzige, großflächige Brandblase verwandeln, dessen war er sich sicher. War er der Einzige, der diesen höllischen Schmerz empfand? Warum schrie niemand um Hilfe, warum legte niemand diesem Folterknecht sein Handwerk? Er jedenfalls würde sich diese Tortur nicht gefallen lassen. Recht und Ordnung würde er wiederherstellen.
    Brecker schien seine Gedanken zu erraten. »Halt’s Maul und bleib sitzen«, knurrte er, und seine Stimme war keine Einladung zum Widerspruch.
    Für den gekränkten Zeremonienmeister schlug nun die Stunde der Rache. Knöppke goss eine zweite Ladung nach, spreizte seinen orientalischen Fächer auf und befeuerte die Konvektionsströme über dem Dampfkochtopf mit weit ausladenden Armschwüngen in Richtung auf die Gäste. Und dem südhessischen Polizeihauptkommissar, dessen Herzmuskel längst irgendwo im kardiologischen Niemandsland zwischen Kammerflimmern und Nulllinie zuckte, widmete er sich mit besonderer Hingabe, ein sardonisches Lächeln auf den Lippen. Rünz lächelte zurück, so gottergeben und entspannt, wie nur ein Totgeweihter lächeln konnte, der sein Ende akzeptiert hatte.

    Wie jedes Fegefeuer hatte auch dieses nach einer halben Ewigkeit ein Ende. Der Saunameister packte seine Folterinstrumente zusammen, verließ die Kammer und hinter ihm stürzten alle Schwitzer wie eine amorphe Masse aus Kochfleisch ins Freie. Alle – bis auf einen leptosomen südhessischen Polizeihauptkommissar und seinen massigen Schwager. Rünz konnte durch die Glastür sehen, wie die schweißnassen, nackten Körper in der kühlen Abendluft dampften. Vor wenigen Minuten noch hätte er die Glücklichen beneidet, jetzt war sein Leidensdruck plötzlich wie weggeblasen – die körpereigenen Flüssigkeitsspeicher waren erschöpft und das vegetative Nervensystem versuchte gar nicht mehr, so etwas wie einen vernünftigen Temperaturhaushalt aufrechtzuhalten. Die Hitze fraß sich längst von seiner Haut in die tieferen Körperzonen, wie die Sonne in die glühende Oberfläche des Merkur. Rünz nahm die Marter tapfer und ergeben hin   – als Auszeichnung. Jesus hatte auf dem Kreuzweg ja auch nicht nach halber Strecke auf einer Parkbank haltgemacht und ein Knoppers ausgepackt.

    Außerdem war es längst eine Frage der Ehre, denn Brecker machte keine Anstalten, aufzustehen. Was sein Schwager konnte, schaffte er schon lange. Wenn Rünz denn das Zeitliche segnen musste, dann erhobenen Hauptes im Feld der Ehre, und nicht auf der Flucht wie ein räudiger Hund. Er lehnte sich demonstrativ entspannt zurück, verbrannte sich prompt an der brandheißen hölzernen Lehne den Rücken und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Nur nichts anmerken lassen, dem Gegner nie die eigene Verfassung offenbaren. Wie im Boxring. Brecker bewegte sich keinen Millimeter, sonderte einfach nur unglaubliche Mengen Flüssigkeit ab. Unvermittelt regte sich ein Rest Überlebenswille in Rünz, er hatte eine geniale Idee, wie er dieses dämliche Schwitzduell ohne Gesichtsverlust überleben konnte.

    »Muss mal schnell pinkeln, bin gleich wieder da«, sagte er, um eine beiläufige und

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