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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Ölpfützen mal abgesehen. Und da der Besitz von großen Summen Bargeld in Colorado nicht unter Strafe stand, wäre der Sheriff unverrichteter Dinge wieder abgezogen – hätte er sich beim Wenden seines Einsatzwagens auf dem Schrottgelände nicht ein Hinterrad an einem unvollständig vergrabenen Stahlstab aufgeschlitzt, der sich letztendlich als Teil des Rudergestänges einer Fairchild-Republic A10 Thunderbolt entpuppte.
    Und damit kam plötzlich Dampf in die Sache, Rünz übersetzte fieberhaft. County Sheriff an FBI, FBI an Air Combat Command, Combat an Homeland Security – das Ganze las sich wie das Drehbuch zu einem Hollywoodthriller. Der Kommissar überlegte, ob er das Material irgendwie in seinem eigenen Thriller verwenden konnte.
    Auf der Farm der beiden Brüder wurde jede Ölwanne, jede verrostete Stahlfelge umgedreht und untersucht. Außer dem Rudergestänge fanden die Ermittler Teile der Cockpit-Instrumentierung und eine Handvoll Schaufeln aus den Verdichterstufen der Triebwerke. Keine üppige Ausbeute, aber ein eindeutiger Beleg, dass mindestens einer der beiden vor den Bergungskräften an der Absturzstelle war. Die Brüder gaben sich in den Vernehmungen verschlossen und wortkarg, sie besaßen weder einen Computer noch Mobil- oder Festnetztelefone, geschweige denn ein Konto bei einem Geldinstitut. Auf einen der beiden war von 1995 bis zum Jahr 2001 ein geländegängiger Ford F-350 Heavy Duty Pick-up angemeldet. Nach den Rekonstruktionen der FBI-Ermittler konnten die Brüder die zehn Kilometer südöstlich der Farm gelegene Absturzstelle zumindest in den ersten Tagen vor den schweren Schneefällen und dem verheerenden Bergrutsch mit dem Fahrzeug theoretisch erreichen.
    Einer der Ermittler stutzte, als er bei der Wohnungsdurchsuchung auf einen Mahnbescheid der kleinen öffentlichen Bibliothek in Eagle stieß. Die beiden Verdächtigen waren mit der Rückgabe zweier Werke im Verzug, die so gar nicht zu ihnen passten – Shakespeares ›As you like it‹ und Dantes ›Inferno‹. Recherchen in der Bücherei ergaben, dass einer der Brüder erst drei Monate zuvor seinen Leseausweis beantragt hatte, das bibliophile Angebot dann für vier Wochen fast täglich genutzt hatte. Seine Leihliste offenbarte einen wirren, unzusammenhängenden Schnelldurchgang durch die Klassiker der Weltliteratur. Die Bücher verband nur eine offensichtliche Gemeinsamkeit – alle Werke standen im Lesesaal der Bibliothek in einem Regal, direkt hinter den beiden PC-Terminals, die Bibliothekskunden einen Zugang zum Internet ermöglichten.

     

     

     

24

    »Ich finde, Sie sind parteiisch«, sagte Rünz. Die Paartherapeutin strahlte ihn daraufhin an, als wäre Kritik an ihr die einzige zuverlässige Methode, sie zum Orgasmus zu bringen. Aber ihr Lächeln wirkte unecht, weil sie noch völlig verschlafen war und unmotiviert dreinschaute. Kein Wunder, welcher Mensch wollte sich auch schon morgens um sieben Uhr mit den Beziehungsproblemen seiner Zeitgenossen beschäftigen. Rünz hatte auf der dauerhaften Terminverlegung bestanden, ja mit Abbruch der Sitzungen gedroht, um seine Forderung durchzusetzen. Im Nachhinein hatte sich die Umstellung als goldener Schachzug erwiesen, die beiden Damen waren in den frühen Morgenstunden in der Regel noch so schlaftrunken, dass ihnen die Energie fehlte, ihm richtig auf die Nerven zu gehen. Die Psychologin unterdrückte ein Gähnen und riss sich zusammen, um auf Rünz’ Vorwürfe zu reagieren.
    »Also, zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, wie toll ich das finde, wie Sie hier ganz offen Ihre Kritik und Unzufriedenheit über unsere gemeinsame Arbeit artikulieren, Herr Rünz. Könnten Sie vielleicht noch etwas präziser herausarbeiten, wie dieser Eindruck der Parteilichkeit bei Ihnen entstanden ist?«
    Gut pariert, dachte Rünz. Die Dame war nicht zu unterschätzen. Jetzt wollte sie ihm zwischen den Zeilen gleich wieder eine Projektion in die Schuhe schieben, so tun, als wäre sie ein Neutrum, ein unbeschriebenes Blatt, an dem er seine Neurosen abarbeitete. Aber mit mir nicht, dachte Rünz. Ich habe dich am Wickel. Jetzt ist Schluss mit Frauensoli. Kaiser Karl schlägt das Heer der Kampfamazonen in die Flucht.
    »Na ja, meine Frau will, dass ich mir mit ihr dieses komische Dalai Lama in der Commerzbank-Arena anschaue, und mir geht dieses Grinsgesicht am Arsch   – ähm – ich meine, der geistige Führer des tibetischen Volkes steht auf der Prioritätenliste meiner persönlichen Interessen derzeit

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