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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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du in den Wechseljahren bist. Die Antwort lautet ›Ja‹.«
    »Hormonveränderungen werden ja nicht nur durch die Wechseljahre ausgelöst.«
    Wovon sprach sie? Irgendeine Schilddrüsenerkrankung? Stoffwechselstörungen? Rünz fielen plötzlich die neuen Unterhosen ein, die sie ihm geschenkt hatte. Retroshorts von der Sorte, wie sie diese Waschbrettbäuche auf den Men’s-Health-Heften anhatten, die bei Hoven ab und an auf dem Schreibtisch herumlagen. Rünz hatte eine anprobiert und sich im Badezimmerspiegel betrachtet, sein untere-Mittelklasse-Gemächt schaute im Profil darin aus wie die Salatgurke von Snoop Dogg. Hing das vielleicht mit ihren Hormonstörungen zusammen? Brauchte sie jetzt stärkere Reize, um in Stimmung zu kommen? Würde sie ihn bald nötigen, die Handschellen aus dem Präsidium mitzubringen? Besser, er fragte nicht nach. Wenn man sich bei einer Frau nach ihrem körperlichen oder seelischen Befinden erkundigte, nahm man sich besser einen Tag Urlaub für die Antwort. Zeit für einen Themenwechsel.
    »Seit wann bist du eigentlich so dicke mit Janine, die ist doch gar nicht deine Wellenlänge. Oder will sie den Miezen in ihrer Katzenpension jetzt Entschlackungskuren und Pilateskurse anbieten?«
    »Janine ist die Freundin meines Bruders, falls du es noch nicht weißt. Sie macht sich große Sorgen um Klaus. Ich übrigens auch.«
    Rünz reagierte nicht, er strich sich in aller Ruhe grobe Landleberwurst von einem halben Zentimeter Höhe auf seine zweite Brötchenhälfte. Er hatte eine Vision. Er saß mit Günther Jauch auf den roten Sesseln im Stern-TV-Studio, Brecker hockte zu seiner Linken im Schneidersitz auf dem Boden und hechelte in die Kamera. Jauch (Stirn in Falten, Schwiegersohnstimme): ›Wann haben Sie denn gemerkt, dass mit Ihrem Schwager etwas nicht in Ordnung ist, Herr Rünz?‹ Rünz (krault Brecker im Nacken und klopft ihm auf die Flanke): ›Also wenn ich jetzt so zurückdenke, eigentlich ging das schon mit seiner Scheidung los. Und seit er seinen Sohn nur noch so selten sieht, ist es eigentlich immer schlimmer geworden.‹ Brecker jault gequält, legt sich auf die Seite, Close-up der Studiokamera auf seine tränenfeuchten Augen, mitleidiges Seufzen im Publikum. Jauch (an Experten im Publikum): ›Herr Professor Bornrath, Schutzpolizisten gelten ja im Allgemeinen als seelisch stabile und gutmütige Spielkameraden. Wie oft kommt das denn in Ihrer Praxis vor, dass …‹
    »Ja und? Was sagst du dazu?«, unterbrach seine Frau den bizarren Tagtraum.
    »Wozu?«
    »Zu Klaus.«
    »Was ist denn los mit ihm? Prostataprobleme? Konto im Minus? Will er Janine auf den Strich schicken?«
    »Es geht um Kevin. Die Trennung von dem Kleinen macht ihm ziemlich zu schaffen. Erzählt er dir nie was darüber?«
    »Nö. Frauenthema«, log Rünz. Wenn er jetzt anfing zu reden, würde sie bei jedem Detail nachfragen, und irgendwann würde sein Auftritt mit Brecker in der Privatschule in Langen zur Sprache kommen. Janine schien ihr nicht alles zu erzählen, sie war schließlich dabei gewesen.
    »Mein Gott, ich dachte, Klaus wäre dein bester Freund. Über was redet ihr eigentlich, wenn ihr euch im Rühmanns die Leber tapeziert?«
    Rünz ächzte genervt. »Über unsere Gefühle, Schatz«, schmatzte er mit vollem Mund, ohne aufzublicken. »Wir reden eigentlich permanent über unsere Gefühle. Wir Männer sind so. Und ich kann dir sagen – wir sind ganz schön nah am Wasser gebaut. Da fließen schon mal die Tränchen. Und wenn wir uns so richtig ausgeheult haben, hängen wir Arm in Arm an der Theke, der Wirt legt ›Je t’aime‹ auf und wir tauschen Zärtlichkeiten aus.«
    »Schade, dass man mit dir nicht ernsthaft über solche Sachen reden kann.«
    »Hör zu – er hat mich, er hat seine Kollegen, er hat die Jungs vom Schützenverein, und immer wenn ihm danach ist, kann er seine wasserstoffblonde Silikonmatratze Janine poppen. Was will man mehr? Mit Virenschleudern wie Kevin hat man eh nur Probleme an der Backe.«
    Seine Frau stellte ihren Klärschlamm ab. Ihre Mimik verwandelte sich in eine flache, vorwurfsvolle Maske, und Rünz musste sich eingestehen, dass sie mit diesem Gesichtsausdruck ein wenig Claudia Roth von den Grünen ähnelte. Kein Mann hatte es verdient, mit einer Frau verheiratet zu sein, die dreinschaute wie eine angesäuerte Claudia Roth.
    »Manchmal denke ich, es ist wirklich besser, dass wir keine Kinder haben«, presste sie zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor.
    »Das denke ich eigentlich

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