Kopernikus 1
die von den übrigen nicht zu unterscheiden war, und hielt vor ihr an.
Lautlos glitt die Metallplatte zur Seite, und Peyton betrat das verdunkelte Zimmer ohne Gewissensbisse.
Auf der Couch lag ein sehr alter Mann. Auf den ersten Blick schien er tot zu sein. Sein Atmen hatte sich so ve r langsamt, daß es fast aufgehört hatte. Peyton starrte ihn einen Augenblick lang an. Dann wandte er sich an den Roboter.
„Wecken Sie ihn auf.“
Irgendwo in den Eingeweiden der Stadt hörte der Strom der Impulse durch den Gedankenprojektor auf. Eine Welt, die es nie gegeben hatte, fiel in Ruinen z u sammen.
Von der Couch blickten zwei glühende Augen zu Pe y ton auf, erhellt vom Feuer des Wahnsinns. Sie sahen durch ihn hindurch, und von dünnen Lippen ergoß sich ein Strom abgerissener Worte. Immer wieder stieß der Alte Namen hervor, welche die von Leuten oder Orten in der Traumwelt sein mußten, der er entrissen worden war. Es war entsetzlich und pathetisch zugleich.
„Aufhören!“ schrie Peyton. „Sie sind in die Wirklic h keit zurückgekehrt.“ Die glühenden Augen schienen ihn zum erstenmal wahrzunehmen. Mit ungeheurer Anstre n gung erhob sich der alte Mann.
„Wer sind Sie?“ stieß er zittrig hervor. Dann, ehe Pe y ton noch antworten konnte, fuhr er mit gebrochener Stimme fort. „Das muß ein Alptraum sein – weg mit I h nen, weg mit Ihnen! Lassen Sie mich aufwachen!“
Peyton überwand seine Abscheu und legte ihm die Hand auf die ausgezehrte Schulter.
„Keine Angst – Sie sind wach. Erinnern Sie sich nicht?“
Der andere schien ihn nicht zu hören.
„Ja, es muß sich um einen Alptraum handeln – es muß! Aber warum erwache ich nicht? Nyran, Cressidor, wo seid ihr? Ich kann euch nicht finden!“
Peyton ertrug es, solange er konnte, aber was er auch anstellte, er konnte die Aufmerksamkeit des Alten nicht wiedererringen. Voller Widerwillen wandte er sich dem Roboter zu.
„Schicken Sie ihn zurück.“
7. Die dritte Renaissance
Das irre Plappern hörte langsam auf. Der ausgezehrte Körper sank auf die Couch zurück, und das verrunzelte Gesicht erstarrte wieder zu einer leidenschaftslosen Maske.
„Sind alle so verrückt wie dieser hier?“ fragte Peyton schließlich.
„Aber er ist doch gar nicht verrückt.“
„Was meinen Sie damit? Natürlich ist er verrückt!“
„Er lebt seit vielen Jahren in Trance. Angenommen, Sie begäben sich in ein fernes Land, änderten völlig Ihre Lebensweise und vergäßen alles, was Sie je über Ihr fr ü heres Leben gewußt haben. Schließlich wüßten Sie davon nicht mehr als von der frühesten Kindheit.
Falls Sie dann durch irgendein Wunder in jene Zeit z u rückgeworfen würden, würden Sie sich genauso verha l ten. Sie dürfen nicht vergessen, daß das Traumleben für ihn völlig wirklich ist und er es schon seit vielen Jahren lebt.“
Das war zweifellos richtig. Wie jedoch konnte der I n genieur eine solche Einsicht besitzen? Peyton wandte sich ihm erstaunt zu, aber wie gewöhnlich bestand keine Notwendigkeit für ihn, die Frage laut auszusprechen.
„Thordarsen hat es mir unlängst gesagt, als wir C o marre erbauten. Selbst damals befanden sich manche der Träumer schon seit zwanzig Jahren in Trance.“
„Unlängst?“
„Nach Ihrer Zeitrechnung vor etwa fünfhundert Ja h ren.“
Die Worte ließen in Peytons Gedanken ein seltsames Bild erstehen. Er stellte sich jenes einsame Genie vor, das hier inmitten seiner Roboter arbeitete; vielleicht w a ren ihm keine menschlichen Gefährten mehr geblieben. Alle anderen hatten sich sicherlich schon vor langer Zeit auf die Suche nach ihren Träumen gemacht.
Thordarsen mochte jedoch ausgeharrt haben, der Schöpferdrang mochte ihn so lange an die Welt gefesselt haben, bis seine Arbeit beendet war. Die beiden Ingen i eure, seine größte Leistung und vielleicht die wunderba r ste Errungenschaft der Elektronik, die der Welt bekannt wurden, waren seine größten Meisterwerke.
Die Vergeblichkeit und die Tragik überwältigten Pe y ton. Mehr als je zuvor war er entschlossen, auch wenn das verbitterte Genie sein Leben weggeworfen hatte, de s sen Werk nicht untergehen zu lassen, sondern es der Welt zu schenken.
„Sind alle Träumer wie dieser?“ fragte er den Roboter.
„Alle, bis auf die jüngsten. Sie erinnern sich vielleicht noch an ihr früheres Leben.“
„Führen Sie mich zu einem von ihnen.“
Der Raum, den sie als nächsten betraten, war mit dem anderen identisch, der Körper jedoch, der auf der
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