Kopernikus 1
ist ‚Tod ’, aber mir fehlt dafür der Begriff.“
Peyton schwieg. Es schien ihm, als sei das Ende des großen Wissenschaftlers nicht unwürdig gewesen. Die Verbitterung, die sein Leben überschattet hatte, war zu guter Letzt von ihm gewichen. Er hatte die Freude des Schaffens erlebt. Von all den Künstlern, die nach Coma r re gekommen waren, war er der größte.
Der Roboter glitt lautlos auf einen stählernen Schrei b tisch zu, und einer der Tentakel verschwand in einer Schublade. Er kam mit einem in Metalldeckeln gebund e nen dicken Band hervor. Wortlos reichte er Peyton das Buch, der es mit zitternden Händen aufschlug. Es enthielt mehrere tausend Seiten eines dünnen, äußerst wide r standsfähigen Materials.
Auf dem Vorsatzblatt standen in kühner, fester Han d schrift die Worte:
Rolf Thordarsen
Bemerkungen zur Subelektronik
Begonnen: 2. Tag, 13. Monat, 2598
Darunter stand noch mehr geschrieben, schwer zu entzi f fern und anscheinend in höchster Eile hingekritzelt. Beim Lesen verstand Peyton mit der Plötzlichkeit der Morge n dämmerung am Äquator endlich alles.
„An den Leser dieser Ausführungen:
Ich, Rolf Thordarsen, der in seiner eigenen Zeit kein Verständnis gefunden hat, richte diese Worte an die Z u kunft. Wenn es Comarre noch immer gibt, müssen Sie das Werk meiner Hände gesehen haben und den Fallen entronnen sein, die ich für kleinere Geister aufgestellt habe. Deshalb sind Sie würdig, dieses Wissen der Welt zu überbringen. Übergeben Sie es den Wissenschaftlern mit der Ermahnung, es weise anzuwenden.
Ich habe die Schranken zwischen Mensch und M a schine niedergerissen. Von nun an müssen sie die Z u kunft miteinander teilen.“
Peyton las die Botschaft mehrere Male, und sein Herz erwärmte sich für den längst toten Ahnen. Es war ein brillanter Einfall. Auf diese Weise – und auf keine andere wäre es sonst überhaupt möglich gewesen –, gelang es ihm, die Botschaft sicher durch die Zeiten zu senden, in dem festen Bewußtsein, daß sie in die rechten Hände g e langen würde. Peyton fragte sich, ob das schon Thorda r sens Plan gewesen war, als er sich den Dekadenzlern a n schloß, oder ob er ihn erst später im Leben gefaßt hatte. Er würde es nie erfahren.
Er blickte wieder den Ingenieur an und dachte an die Welt, die entstehen würde, wenn alle Roboter Bewuß t sein erlangt hatten. Und er schaute noch tiefer in den N e bel der Zukunft …
Ein Roboter braucht keine der Grenzen des Menschen zu haben, keine seiner bemitleidenswerten Schwächen. Er würde es der Leidenschaft nie erlauben, seine Logik zu trüben, würde sich nie von Eigennutz und Ehrgeiz leiten lassen. Er würde die Ergänzung des Menschen sein.
Peyton gedachte der Worte Thordarsens: „Von nun an müssen sie die Zukunft miteinander teilen.“
Peyton riß sich aus diesem Tagtraum. All das, wenn es je dazu kam, mußte Jahrhunderte in der Zukunft liegen. Er wandte sich an den Ingenieur.
„Ich bin bereit fortzugehen. Eines Tages aber werde ich zurückkehren.“
Der Roboter wich langsam vor ihm zurück.
„Stehen Sie völlig ruhig“, befahl er.
Peyton schaute verwundert auf den Ingenieur. Dann blickte er rasch zur Decke auf. Dort befand sich wiede r um die rätselhafte Wölbung, unter der er gestanden hatte, als er die Stadt vor so langer Zeit betrat.
„He!“ rief er. „Ich möchte nicht …“
Es war zu spät. Hinter ihm befand sich der schwarze Schirm, schwärzer noch als die Nacht. Vor ihm lag die vom Wald umsäumte Lichtung. Es war Abend, und die Sonne berührte beinahe die Bäume.
Hinter ihm war plötzlich ein Wimmern zu vernehmen: ein heftig erschrockener Löwe blickte mit ungläubigen Augen in die Welt hinaus. Leo hatte der Transfer nicht gutgetan.
„Jetzt ist alles vorbei, alter Bursche“, meinte Peyton ermunternd. „Man kann ihnen keinen Vorwurf machen, daß sie uns so schnell wie möglich loswerden wollten. Schließlich haben wir beide den Ort ein wenig demoliert. Komm mit – ich habe keine Lust, die Nacht im Walde zu verbringen.“
Auf der anderen Seite der Welt vertrieb sich eine Gruppe von Wissenschaftlern die Zeit, so gut sie eben konnte, denn das volle Ausmaß ihres Sieges war ihr noch unb e kannt. Im Zentralturm hatte Richard Peyton II. eben en t deckt, daß sein Sohn die letzten beiden Tage nicht bei seinen Kusinen in Südamerika verbracht hatte, und bere i tete die Begrüßungsansprache für die Rückkehr des ve r lorenen Sohnes vor.
Hoch über der Erde
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