Kopernikus 1
Sie trug das Essen, das sie gewärmt hatte, zum Tisch und setzte sich, nicht zu nahe bei ihm, aber auch nicht übertrieben fern. Sie zog die Kunststoffolie zurück; es handelte sich um gekochte grüne Bohnen, nichts weiter. Sie aß schwe i gend, und sein Blick verfolgte jeden ihrer Bissen. Als sie fertig war, trug sie den Behälter zum Müllschlucker. Sie hatte keinen Appetit mehr, um sich noch etwas warm zu machen. Mit selbstzufriedenem Nicken stieß sie sich ab, erhob sich wie ein Vogel, der Freiheit im Flug sucht.
„Ich sehe dich beim Abendessen.“
Sie sah ihn beim Abendessen, und von nun an dreimal in jeder Tagperiode, manchmal häufiger, wenn sie g e meinsam im Kontrollraum saßen und sie die Flugbahn auf das schwebende Ballett der Asteroiden des Hauptgü r tels ausrichtete. Immer brachte sie – Wall gegen jegl i chen Kontakt – ein Buch mit zu den Treffen und starrte blind auf die Seiten, während sie ihre geschmacklosen, blind gewählten Mahlzeiten einnahm. Aber einmal schließlich bot sie ihm das Buch an, um seiner starrenden Neugier zu entgehen, und weil sie dies getan hatte, mußte sie schließlich einer Diskussion über die Bedeutung der langweiligen Essays der Alten Welt über ökologische Bebauung zustimmen. Sie fand nie heraus, ob sein Inte r esse an diesem Thema wirklich größer war als ihr eig e nes, doch ihr Appetit kehrte langsam zurück, zusammen mit ihrer Gabe, mühelos zu sprechen.
Aber noch immer fand sie keinerlei Enthusiasmus in sich, nur das schwache Akzeptieren der Dinge, die sie doch nicht ändern konnte. Gleichzeitig schwand Dart a gnans Appetit, bis es schien, als lebte er nur noch von Sojamilch; sie sah ihn auch gelegentlich unbekannte Pi l len schlucken. Sein Gesicht wurde hohlwangig, bittere Falten zogen seine Mundwinkel hinab. Sie begann sich zu fragen, ob er krank sei, aber wenn sie versuchte, ihm diesbezügliche Fragen zu stellen, bekam sie verneinende Antworten. Sie fragte nicht wieder, sondern zeigte ledi g lich Anzeichen neuen Unmuts.
Nach langer Zeit erreichten sie den Grenzbereich des Hauptgürtels, und sie korrigierte den Kurs, damit sie den Orbit des ersten Planetoiden, den sie entdeckten, kreu z ten. Ihre Schirme zeigten ihnen nichts von Wert, kein Anzeichen, daß je ein menschliches Wesen einmal diesen taumelnden Brocken sonnengebleichten Felsens besucht hatte. Sie erkundeten einen weiteren Felsen und noch einen, während sie tiefer in diesen Felsstrudel eindra n gen, doch keiner zeugte von menschlichem Leben oder zu erwartendem Profit. Erneut änderten sie den Kurs, um den ersten Planetoiden zu untersuchen, der namentlich in ihren Listen verzeichnet war – einen, der tatsächlich einmal bewohnt gewesen war –, nur um einen verbran n ten Klumpen groben Gesteins zu finden, dessen Nähe die Nadeln ihres Geigerzählers tanzen ließ.
Unbeirrt machten sie weiter, drangen tiefer ein in die zerstörte Öde des Hauptgürtels, bewegten sich unaufhal t sam gegen dessen Strom, weiter und weiter weg von i h rem Ausgangspunkt und unweigerlichem Endziel. Sie inspizierten weitere Asteroiden, mit Namen versehen oder namenlos, und jede weitere Erkundung wurde zu einem neuen Mißerfolg.
Und doch gaben sie nicht auf, trotz schwindender Vo r räte an Nahrung und Vertrauen gaben sie die Hoffnung nicht auf. Bis schließlich das leere Ritual der Suche nach von Menschenhand geschaffenen Gegenständen auf e i nem weiteren namenlosen Felsbrocken zu positiven Au s drucken führte. Schweigend betrachteten sie die flinken Symbole, die den Schirm zu beleben begannen; Mythili fühlte, wie Chaim ihre eigene Furcht teilte, die Realität durch ein Wort zum Platzen zu bringen. Sie ging am Kontrollpult entlang an ihm vorbei, noch immer stumm, und begann, Geschwindigkeit und Kurs zu korrigieren, bis die Flugbahn auf Nr. 5359 endete.
Die Kilosekunden verstrichen, sie brachten die Mutter über einem silberglänzenden, künstlich geglätteten Dockgelände in Position. Sie glich das Schiff der ko n stanten Rotation des kleinen Planetoiden an, bis die Oberfläche unter ihnen stillzustehen schien, während das Universum sich um sie drehte. Und dann ließ sie die ko n trollierte Energie frei, die sie die wenigen Kilometer h i nunterbrachte, die sie noch von ihrem Ziel trennten. Das Schiff berührte den Stein, es setzte mit der fragilen Gr a zie eines landenden Drachens auf.
Sie fühlte Chaims anerkennendes Lächeln, das in Neid umschlug, da er ihre Fingerfertigkeit nicht teilte. Sie ha t te seine
Weitere Kostenlose Bücher