Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
Vom Netzwerk:
sehen. Sie griff hoch, um ihren Helm zu lösen. „Wenn wir unsere Anzüge ablegen, haben wir mehr Bewegungsfreiheit …“
    „Warte.“ Er griff nach ihrer Hand und hielt sie u n schlüssig fest. „Laß das an. Der Reinigungsmechanismus funktioniert nicht mehr. Du kennst die Gerüche dieser Orte nicht. Oder ihr Aussehen … Es ist besser, ich gehe zuerst.“ Sie sah sein Gesicht, überlagert von der dunklen Reflektion ihres eigenen, Helm an Helm, sah die tiefen Linien um seinen Mund, der die Worte ungeschliffen hervorstieß. „Warte hier.“
    Sie erinnerte sich an sein Spezialwissen – und daran, daß die meisten Leute im Hauptgürtel einen langsamen Hungertod gestorben oder verdurstet waren –, daher ließ sie ihre Hand sinken und wartete. Er schlängelte sich wie ein Aal in die Masse der Ausdrucke. Sekunden verstr i chen, Sekunde um Sekunde, bis die Dunkelheit ihre Form verlor und zeitlos wurde, bis sie nicht mehr in der Lage war, die Bilder erstickender Schlünde, gewürgt von warmem, menschlichem Fleisch, aus ihren Gedanken zu verdrängen …
    Ein leises Grunzen, Überraschung oder Ekel, drang aus ihren Lautsprechern – Chaims Stimme von irgendwo je n seits der Wand. „Chaim …?“ Ihre eigene Stimme erstau n te sie zutiefst, unerwartete Emotionen schwangen darin mit.
    „In Ordnung.“ Seine Beruhigung, mit unsicherer Stimme gesprochen, verhallte. „Komm herüber, ich bin durch. Aber sei gefaßt – es sind einige Körper hier.“
    Sie fühlte ein Prickeln auf der Haut, Kälte kroch ihr den Rücken hinunter. Aber sie hatte Megasekunden z u sammen mit dem eingefrorenen Leichnam Sekka-Olefins an Bord ihres Schiffes verbracht, während des Rückflugs nach Mekka von Planet Zwei. Der Tod war kein Fremder für sie. Sie klammerte sich mit den Händen fest und ließ wieder los, um sich in die Masse der Ausdrucke hinei n zuziehen. Sich mit den Handschuhen festklammernd, strampelnd und schlängelnd wie ein Schwimmer, bahnte sie sich einen Weg durch den unebenen Korridor. Sie folgte dem Strahl ihrer Lampe. Endlich sah sie, wie der Strahl sich verbreiterte, diffus wurde und blinkte, als er von einem anderen beantwortet wurde, der vor ihr leuc h tete. Chaim ergriff ihre suchenden Hände, um sie aus dem Tunnel zu ziehen. Unfähig, dies zu verhindern, ließ sie es geschehen.
    „Danke!“ Sie befreite sich so schnell sie konnte aus seinem Griff und vermied es, ihm ins Gesicht zu scha u en. Der Schein ihrer Lampe zeigte ihr ein Gitterwerk aus Plastik, das die Papiermasse durchzog, um sie gegen ein langsames, unausweichliches Absacken zum eisenre i chen Gravitationskern des Asteroiden zu stützen. Das ist dann also alles. Doch als sie sich umdrehte und den I n nenwänden des Raumes folgte, sah sie weitere Stapel der Ausdrucke sowie Plastikbalken zu Stützzwecken, i m mense Mengen unbekannten Inhalts, außerdem Berge alter Kleider oder Lumpen.
    Im Zentrum dieser sorgfältig gefüllten Halle hatte ein kleiner Lebensraum der Zeit getrotzt; ein kleiner meta l lener Tisch und Stühle, die unordentlich an einer Wand lehnten, wohin sie dem Sog der Gravitation gefolgt w a ren, sowie eine große Schaumgummimatte, auf der noch mehr Lumpen lagen … Körper. Er hatte gesagt, es gäbe Körper. Mit entsetzter Faszination verweilten ihre Augen auf den formlosen Lumpenbündeln, als der Lichtkegel der Lampe ihrem suchenden Blick das Weiß von Kn o chen enthüllte, die glatte weiße Wölbung eines Schädels, die starrende Schwärze der Augenhöhlen.
    Sie drehte sich plötzlich in der Luft, in dem Versuch, ihre Vorwärtsbewegung zu stoppen, doch da sie nichts hatte, um ihren Flug zu stabilisieren, prallte sie mit einem Fluch gegen die metallene Tischplatte. Das Echo ihres Zusammenpralls und ihr Schrei wurden von den weichen Wänden aufgesogen, und erneut umfing der Raum sie mit Stille. Chaim hing noch immer an der weiter entfer n ten Seite, als könne er sich nicht dazu durchringen, sich den Toten zu nähern.
    Sie richtete sich an der Tischkante auf und betrachtete die Gegenstände, die sie umgeworfen hatte und die nun einen langsamen Tanz um sie herum vollführten: leere Behälter, Reste vertrockneter Nahrung, ein verrostetes Messer, ein langer, schmaler Knochen … wahrscheinlich ein Oberschenkelknochen. Sie schnappe nach dem Me s ser und fing es aus der Luft. „Was glaubst … was denkst du … tötete … woran könnten sie gestorben sein?“ Sie haßte sich selbst, als sie diese Frage stellte.
    „Verhungert wahrscheinlich. Das

Weitere Kostenlose Bücher