Kopernikus 1
den Urlaub, um den ich gebeten hatte, ehe er mich erneut aussandte, um weitere Häresien zu bekämpfen. Ich hatte also meinen Sieg, die Kirche machte weiter wie bisher, und der Orden des heiligen Judas Iskariot war gründlich zerschlagen. Der Telepath Johannes Azure Kreuz hatte sich geirrt, glaubte ich damals. Er hatte die Macht eines Ritters der Inquisition sträflich unterschätzt.
Später fielen mir allerdings seine Worte wieder ein.
Du kannst uns nichts tun, Damien.
Uns?
Dem Orden des heiligen Judas? Oder den Lügnern?
Ich glaube, er log bewußt, obgleich ihm klar war, daß ich den Weg von Kreuz und Drachen zerstören würde, obgleich ihm außerdem klar war, daß ich die Lügner nicht greifen konnte, daß ich es nicht einmal wagen würde, sie zu erwähnen. Wie hätte ich auch? Wer hätte mir geglaubt? Eine gewaltige, die Sterne umspannende Verschwörung so alt wie die Geschichte? Es riecht nach Wahnsinn, und ich hatte überhaupt keinen Beweis.
Der Telepath log zugunsten von Lukyan, damit er mich gehen lassen würde. Dessen bin ich mir heute sicher. Kreuz riskierte viel, um mich zu umgarnen. Als ihm das nicht gelang, war er bereit, Lukyan Judasson und seine Lüge zu opfern, Schachfiguren in einem größeren Spiel.
So reiste ich ab und nahm die Erkenntnis mit, keinen Glauben mehr zu haben, bis auf den an die Wahrheit – eine Wahrheit, die ich in meiner Kirche nicht mehr finden konnte.
In dem Jahr, in dem ich lesend und studierend auf Vess, Cathaday und auf Celias Welt Urlaub machte, wurde ich mir dessen sicher. Am Ende stand ich wieder einmal in meinen allerschlechtesten Stiefeln im Empfangszimmer von Torgathon Nine-Klariis Tun. „Mein Lordkomtur“, sagte ich zu ihm, „ich kann keine weiteren Aufträge mehr übernehmen. Ich bitte darum, aus dem aktiven Dienst ausscheiden zu dürfen.“
„Weshalb?“ knurrte der Erzbischof und spritzte wie wild um sich.
„Ich habe den Glauben verloren“, erwiderte ich schlicht.
Er blickte mich lange aufmerksam an und blinzelte mit seinen pupillenlosen Augen. Endlich sagte er: „Ihr Glaube geht nur Sie und Ihren Beichtvater etwas an. Mich interessieren lediglich Ihre Ergebnisse. Sie haben gute Arbeit geleistet, Damien. Sie dürfen sich nicht zur Ruhe setzen, und ich erlaube Ihnen nicht zu resignieren.“
Die Wahrheit wird uns freisetzen.
Aber Freiheit ist kalt und leer und beängstigend, und Lügen können oft warm und schön sein.
Letztes Jahr hat die Kirche mir ein neues Raumschiff zur Verfügung gestellt. Ich habe es Drachen getauft.
Joan D. Vinge
Narrengold
(FOOLS GOLD)
„Entschuldigen Sie … Verzeihung …“
„Warten Sie, bis Sie dran sind, Kamerad. Wir haben genug Arbeit für jedermann.“ Der Schalterbeamte griff nach Bewilligungsformularen, die das ungestüme Herannahen des Fremden der niederdrückenden Hand der Gravitation entrissen hatte. Er stopfte sie in einen Aktenordner, der im Wirrwarr seiner Schreibtischplatte stand. Sein saurer Ausdruck ätzte Löcher in die amorphe Masse der Gesichter, die in einer Reihe vor ihm warteten; er maß den Mann, der die Ordnung gestört hatte, mit einem stahlharten Blick.
„Mein Name ist Wadie Abdhiamal, ich bin ein Regierungssprecher.“
„Kein Wunder, daß Sie in Eile sind. Aber Sie müssen warten, bis Sie an der Reihe sind, wie jeder andere …“
„Ich bin in offizieller Mission hier.“ Unwillkürlich hob Abdhiamal seine Stimme. „Ich suche einen Mann namens Dartagnan.“
„Sie haben die Wahl.“ Der finstere Blick des Beamten glitt von dem höflichen Gesicht zu den mit reichhaltigen Stickereien verbrämten Aufschlägen des Jacketts.
„Mir wurde gesagt, er sei hier, aber das ist er nicht. Wo könnte er als nächstes hingehen?“ Ungeduldig packte Abdhiamal den Schalterbeamten an dessen eigenen unverzierten Aufschlägen.
„Nicht so stürmisch. Diese Richtung …“ Der Beamte fuchtelte mit der linken Hand und stieß den anderen von sich.
Abdhiamal stieß sich von dem Tisch ab, und die hinter ihm aufgereihten Menschen stoben auseinander wie die Formulare bei seiner Ankunft. Seine Flugbahn führte ihn dem Korridorzugang, den der Schalterbeamte angezeigt hatte, entgegen. Er bremste mit der Hand ab, korrigierte seinen Kurs und stob erneut mit unschicklicher Hast davon.
Der Tunnel führte ihn in einen anderen Raum, ebenso unpersönlich wie der Warteraum und ebenso überfüllt. Abdhiamal erhob sich etwas, um die dichtgedrängte Menge nach dem roten Haar, das er in Erinnerung hatte,
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