Kopernikus 1
davon nichts, nichts. Mein Inneres war leer, ausgebrannt, voller Fragen und Schmerz. Doch als ich Johannes Azure Kreuz und dem lächelnden Lukyan Judasson eben antworten wollte, da fand ich etwas anderes, etwas, an das ich wirklich glaubte, an das ich immer geglaubt hatte.
Die Wahrheit.
Ich glaubte an die Wahrheit, auch wenn sie schmerzte. „Er ist verloren für uns“, sagte der Telepath mit dem höhnischen Namen Kreuz.
Lukyan schwand das Lächeln aus dem Gesicht. „Wirklich? Ich hatte gehofft, Sie würden sich uns anschließen, Damien. Sie machten auf mich den Eindruck, als würden Sie reif sein dafür.“
Auf einmal hatte ich Angst und wäre am liebsten die Treppe hinauf zu Schwester Judith gelaufen. Lukyan hatte mir eine ganze Menge erzählt, und jetzt hatte ich ihr Angebot zurückgewiesen.
Der Telepath spürte meine Angst. „Du kannst uns nichts tun, Damien“, sagte er. „Geh in Frieden. Lukyan hat dir gar nichts erzählt.“
Lukyan runzelte die Stirn. „Ich habe ihm eine ganze Menge erzählt, Johannes.“
„Sicher. Aber kann er denn den Worten eines Lügners, wie du einer bist, trauen?“ Der kleine mißgestaltete Mund des Etwas im Bottich verzog sich zu einem Lächeln, seine großen Augen schlossen sich. Lukyan Judasson seufzte und führte mich die Treppe hinauf.
Erst ein paar Jahre später wurde mir klar, daß Johannes Azure Kreuz der Lügner und Lukyan das Opfer seiner Lüge war. Ich konnte ihnen etwas tun. Ich tat es.
Es war beinahe leicht. Der Bischof hatte in der Regierung und in den Medien Freunde. Mit Geld an der richtigen Stelle machte ich mir auch ein paar Freunde. Dann enthüllte ich, daß Kreuz dort im Keller saß und beschuldigte ihn, seine psionischen Kräfte benutzt zu haben, um an Lukyans Anhängern eine Gehirnwäsche vorzunehmen. Meine Freunde gingen auf die Beschuldigungen ein. Die Polizei machte eine Haussuchung, nahm den Telepathen Kreuz in Haft und stellte ihn vor Gericht.
Er war natürlich unschuldig. Meine Anklage war Unsinn; menschliche Telepathen können Gedanken aus nächster Nähe lesen, selten mehr. Aber es gibt sie nicht oft, und daher sind sie gefürchtet, und Kreuz war abstoßend genug, so daß man ihn ohne Mühe zum Opfer des Aberglaubens machen konnte. Am Ende wurde er freigesprochen und verließ die Stadt Ammadon, wenn nicht gar Arion in unbekannte Regionen. Es war nie meine Absicht gewesen, ihn zu überführen. Die Anklage genügte. In der Lüge, die er zusammen mit Lukyan aufgebaut hatte, begannen sich Risse zu zeigen. Der Glaube ist schwer zu erringen und leicht zu verlieren. Schon der leiseste Zweifel kann bereits dazu führen, selbst sein stärkstes Fundament zu zerrütten.
Der Bischof und ich arbeiteten Hand in Hand, um weitere Zweifel zu säen. Das war nicht so einfach, wie ich geglaubt hatte. Die Lügner hatten gute Arbeit geleistet. Ammadon besaß, wie die meisten zivilisierten Städte, einen großen Vorrat an Wissen, ein Computersystem, das Schulen, Universitäten und Bibliotheken miteinander verband und seine geballte Weisheit jedem zugänglich machte, der sie benötigte.
Und als ich das überprüfte, fand ich bald heraus, daß die Geschichte Roms und Babylons geschickt verändert worden war, und daß es für Judas Iskariot drei Stichworte gab – eins für den Erobererkönig von Babylon. Außerdem wurde sein Name im Zusammenhang mit den Hängenden Gärten erwähnt, und es gibt eine Eintragung für den sogenannten Kodex Judae.
Und die Bibliothek von Ammadon behauptete, die Drachen wären auf der alten Erde etwa um die Zeit Christi ausgestorben.
Wir merzten schließlich alle diese Lügen aus, wischten sie aus dem Gedächtnis der Computer, obgleich wir Autoritäten auf einem halben Dutzend nichtchristlicher Welten zitieren mußten, ehe die Bibliothekare und Akademiker einsahen, daß die Unterschiede mehr als nur eine Frage der religiösen Präferenz waren.
Inzwischen war der Orden des heiligen Judas im grellen Licht der Öffentlichkeit verwelkt. Lukyan Judasson war hager und ärgerlich geworden, und mindestens die Hälfte seiner Kirchen war geschlossen.
Natürlich starb die Häresie nie vollständig aus. Es gibt immer solche, die glauben, egal was. Und so liest man auf Arion in der Porzellanstadt Ammadon unter murmelnden Flüsterwinden bis auf den heutigen Tag Der Weg von Kreuz und Drachen.
Arla-k-Bau und die Wahrheit Christi brachten mich ein Jahr nach meiner Abreise nach Vess zurück, und Erzbischof Torgathon genehmigte mir endlich
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