Kopernikus 2
steinharte Erektion, obwohl sie schon ausgestiegen ist. Kalifornien liegt vor ihm. Er schläft und verliert sich in Träume.
Sie rennen, und jeder Schritt läßt das Wasser hochspritzen. Der Heckkanonier läßt ihn den fliehenden Gestalten ein paar Feuerstöße nachschicken. Die Kaliber-50-Geschosse jagen den Dreck in die Luft. Er bringt eine der Gestalten zu Fall, kurz bevor sie die Sicherheit der Bäume erreicht hat. Die anderen Männer lachen mit ihm über sein Glück beim Schießen.
Das Baby tritt unter seiner Hand in ihrem Bauch. Die Stadt ist ruhig. Weit entfernt hört er das gedämpfte Geräusch der Artillerie. Er zieht sie an sich.
Er spürt den harten Tritt mitten in seinem Körper und den heißen Stich des Schießpulvers, das die Haut darum verbrennt. Er hat ein Gesicht vor Augen. Die Sonne brennt heiß.
Er hört das Heulen der Turbinen, die Rotoren, die die Luft über ihm zerteilen.
Wind pfeift an der Kabine vorbei und weht durch die offene Tür herein. Der Schmerz steigt und drängt alles andere aus seinem Bewußtsein, und dann plötzlich ist er weg.
Ich mache meine Augen auf. Ich finde mich im Halbdunkel, auf eine Beschleunigungsliege geschnallt. Mein Körper ist auf allen Seiten von Flüssigkeit umpolstert. Ich mache meine Hand frei, um meinen Bauch zu fühlen. Ich spüre keinen Schmerz, keine Wunde ist zu fühlen. Ich weiß, daß das unmöglich ist. Ich habe mich voll in den Bauch geschossen, und das ist nicht mehr als vier Stunden her. Ich dachte, ich hätte mich in zwei Stücke gerissen. Irgendwie ist es so, als sei es nie geschehen. Irgendwie bin ich nicht mehr in dem Hubschrauber und werde vom Feld wegtransportiert, irgendwie bin ich nicht mehr verwundet.
Lichter glühen und huschen in verschiedenen Farben über ein Kontrollbord vor meinen Augen. An den Lichtern kann ich nichts Bekanntes entdecken. Keine Schrift ist sichtbar, keine Anweisungen. Ich trage einen enganliegenden Helm. Ich glaube, mein Kopf ist rasiert. Ich habe das Gefühl, als preßten sich Elektroden gegen meine Kopfhaut. Ich habe eine Art Overall an.
„Willkommen, Soldat.“ Die Stimme scheint aus meinem Kopf zu kommen. Sie wirkt tonlos, leblos, gefühllos. Und doch irgendwie weiblich.
„Wo bin ich? Wer bist du? Was ist passiert?“ Die Fragen kommen rasend schnell. Es wird mir klar, daß ich nicht gesprochen habe.
„Du hast einen langen Weg hinter dir, Soldat. Du hast lange gewartet.“
Mein Kopf füllt sich mit Bildern: Ein Körper wird aus einem Hubschrauber geladen. Ich sehe das Gesicht – meines, mein Gesicht, meinen Körper. Ich bin tot. Eine Flagge wird über meinen Sarg gelegt. Sechs Träger in voller Paradeuniform. Ich erinnere mich an den Spruch: Scheiß auf alle außer neun./Sechs Träger./Zwei Wachen./Einer zählt die Schritte. Meine Eltern stehen an der Seite, fast verloren in der Menge. Meine Mutter weint. Sie hält mit roten Augen eine Medaille in der Hand. Das Metall glitzert in der Morgensonne. Der Dreck, der oben auf den Sarg geworfen wird, ist schwarz.
Der Friedhof ist verlassen. Nur endlose Reihen von einfachen weißen Kreuzen, dazwischen grünes Gras, hier und da Blumen auf den Gräbern. Das Bild wird undeutlich. Die Kreuze verwittern und zerspringen vor Alter, zerfallen schließlich zu Staub. Das Gras wird von Unkraut und Gebüsch überwuchert. Dann wieder Betriebsamkeit. Elegante, blitzende Maschinen öffnen die Gräber, holen die Särge heraus, untersuchen jeden, lehnen ihn ab, sind nicht zufrieden, finden den nicht, den sie suchen, den, den sie brauchen. Schließlich finden sie einen, den sie sich genauer ansehen. Sie prüfen ihn genau mit blitzenden Instrumenten. Er muß ihnen gefallen, denn sie gehen weg und nehmen den Sarg mit.
Die Szene verschiebt sich zu einem hell erleuchteten Labor. Der Sarg wird vorsichtig aufgemacht. Sensoren tasten den mumifizierten Körper darin ab. Aus der getrockneten DNS einer erhaltenen Zelle der Mumie wird ein vollständiges Kariotyp erstellt. Die Reihenfolge der Nukleotiden wird auf einen Kode-Kristall übertragen, der zur synthetischen Herstellung eines Zellkerns verwendet wird, der wiederum in eine embrionische Zelle eingepflanzt wird. Ein weiterer Kode-Kristall glüht auf, als die Sensoren damit beginnen, den Kopf der Mumie zu untersuchen; in dem Kristallgitter wird ein Lichtmuster festgelegt: Mir wird klar, daß die Lichter den feinen Spuren folgen, die in den Neuralbahnen der Synapsen vorhanden sind, die die Erinnerungsmuster darstellen, aus denen
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