Kopernikus 2
Bordwaffen zu früh oder zu spät abgefeuert, immer, zu lange schon. Hinausgeworfene Mun i tion, vergeudet bei sinnlosen Scheinangriffen auf die schimmernden Aluminiumbäuche der feindlichen Bomber.
Dahin ist die sichere, tödliche Hand beim Zielen, dahin sind die blitzschnellen Reflexe, die ihn über den Philippinen zum As gemacht haben. Er wird, das weiß er, jetzt bald den endgültigen Fehler machen, und dann wird ihn eine Hellcat oder Mustang aus der Luft schießen. Ein kostbares Flugzeug wird verloren sein, weggeworfen in einem Augenblick der Unaufmerksamkeit oder Verwirrung.
Und was ist mit deiner Frau? Tadashi runzelt hinter der Schutzbrille die Stirn und tadelt sich. Er wird sein Ende nur beschleunigen, wenn er seinen Gedanken gestattet, in diese Richtung zu wandern.
Er ist, sagt er sich, ein Krieger. Wenn er stirbt, wird er den Tod eines Kriegers sterben und in den Yasukuni-Schrein eingehen. Er wird sein Leben teuer verkaufen, denn das ist seine Pflicht und seine Ehre. Hagakure, der Bushido-Ehrenkodex , ist zu tief in ihn eingraviert. Er kann sich zu dem Gebot „Ein Samurai lebt in steter Bereitschaft zu ste r ben“, oder zu der Forderung des Kaisers an alle Soldaten und Seeleute Japans – „… seid euch bewußt, daß die Pflicht schwerer ist als ein Berg, der Tod aber leichter als eine F e der“ – keine Alternative denken.
Tadashi erspäht in der Ferne, wie Sonnenlicht auf ung e strichenem Aluminium aufblitzt. Er wedelt mit den Flügeln, um die Aufmerksamkeit Shiizakis auf sich zu lenken, und deutet darauf, muß dann aber scharf abdrehen, als Shiizaki, während er den Hals verdreht, um nach der feindlichen Formation Ausschau zu halten, mit seiner Maschine der T a dashis gefährlich nahe kommt. Tadashi winkt seinen schwerfälligen Nebenmann in seine Position zurück und verflucht den Mangel an Funkgeräten, die man ausgebaut hat, um die Zero-Sens leichter zu machen, und die Seltenheit voll ausgebildeter Piloten. Er gibt Vollgas, um den Abstand zwischen sich und den Bombern zu verringern.
Im Laufe eines Jahres haben die B-29 der Amerikaner buchstäblich die gesamte Industrie Japans in Trümmer g e legt, die Bevölkerung der großen Städte ernsthaft dezimiert, sein Heimatland auf die Knie gezwungen. Die B-29 sind gigantische Flugzeuge, bei weitem die größten, die er je g e sehen hat. Trotz ihrer Größe sind sie fast so schnell wie sein Abfangjäger, gut und stark bewaffnet, insgesamt unübe r treffliche Maschinen. Einige wurden abgeschossen, aber nicht genug, und in den meisten Fällen scheinen den Kolo s sen Jäger und Flak entmutigend wenig auszumachen.
Tadashi spürt, wie sich seine Eingeweide zu einem stra f fen, harten Knoten zusammendrehen, als er mit dem Anflug beginnt. Vielleicht ist dies der Tag flüstert es in ihm, und er beißt sich auf die Unterlippe, um das Geflüster der Angst zu unterdrücken. Er hat die hinterste B-29 in der Formation groß im Visier. Er entsichert, überprüft den Entfernung s messer und eröffnet das Feuer. Die Heckgeschütze des Bombers spucken gleichzeitig Geschosse aus. Das Winseln eines Querschlägers ist zu hören. Tadashi zuckt zurück, grollt, beendet die Salve und reißt das Ruder nach links, um nach Shiizaki Ausschau zu halten.
Von Geschossen durchlöchert, saust Shiizakis Zero-Sen an der B-29 vorbei, legt sich auf die Seite und explodiert. Du mußt mich anhören denk an sie der Krieg ist bald vorbei und sie wird dich in den folgenden schweren Zeiten brauchen kehr um und lande und ruf sie ohne Verzug zu dir bitte bitte hör auf mich!
Grimmig fällt Tadashi hinter einem zweiten Bomber in Position. Doch auf einmal schimmert und tanzt das amerik a nische Flugzeug vor ihm am Himmel und weigert sich, sa u ber eingerahmt im Visier zu bleiben. Ihm flimmert es vor Augen, er hat Kopfschmerzen. Die Zero-Sen gerät heftig ins Wackeln, als seine Hand vom Steuerknüppel rutscht. ICH KANN UNS ALLE RETTEN WENN DU AUF MICH HÖRST! Und für einen Augenblick ist er gegenüber dem Röhren und Vibrieren seiner Maschine taub, entrückt, in schrecklich bekannter Weise einem Mann mittleren Alters gegenüber, dessen pelzige Augenbrauen von Schweiß glä n zen, dessen Augen angestrengt zusammengekniffen sind. Tadashi stößt einen Warnschrei aus, und der Mann scheint aufzuatmen, und dann lächelt er. Das Gesicht zerspringt zu Lichtfunken. Seine Braut ruht mit ihm im Halbdunkel, nach dem Geschlechtsakt ist ihre Haut glitschig vom Schweiß, ihre zerbrechlichen Finger
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