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Kopernikus 2

Kopernikus 2

Titel: Kopernikus 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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und versuchte, durch eines den Finger hindurchzustecken. Zusätzlich zu diesen konve n tionellen, und wie es sich gehört, befestigten unsichtbaren Gläsern gab es drei Paare anderer Gläser, die senkrecht an einem gemeinsamen Zapfen rechts und links vorn am Ra h men angebracht waren (man kann sich sicher vorstellen, wie das aussah). Dort schwebten sie wie die Flügel einer Libelle, die aus dem Kokon herauskriecht. Auch diese Linsen waren bemerkenswert klar, und jede schien mit ihrem Zwilling auf der anderen Seite durch Silberdrähte verbunden zu sein, die mitten durch das durchsichtige Hornmaterial liefen. Er e r kannte natürlich sofort, daß es sich bei dieser Anordnung von Hilfsgläsern um den verschrobenen oder humoristischen Einfall eines Amateurerfinders handeln mußte.
    „Gewiß … sie schauen höchst merkwürdig aus.“
    „Ach! Das ist gar nichts!“ erwiderte Mr. Waters mit der ihm eigenen explosiven Energie. „Kümmern Sie sich nicht um ihr Aussehen! Durch zusehen, das ist es, was zählt! Das Großartige an diesen Gläsern ist: Sie befähigen einen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.“
    Der junge Mann lächelte. Er kannte Mr. Waters Au f schneidereien und sein vielleicht schon leicht seniles Ger e de. Um jedoch dem Alten den Spaß nicht zu verderben und um die eigene Neugierde zu befriedigen, setzte er die Brille auf und sah sich im Zimmer um.
    Verdammt! Es war wahr; er brauchte wirklich eine Brille, wie Stanny behauptet hatte. Er wollte sie nicht, er konnte sie sich nicht leisten, aber er mußte sie wohl benötigen, denn jetzt erkannte er, daß er bislang durch die Welt gegangen war, ohne alles deutlich zu sehen. Darum war ihm auch nie zu Bewußtsein gekommen, wie heruntergekommen sein Zimmer war. Nun fiel ihm auf, daß das rosarote Bettlaken schon ein alter Fetzen war, daß der Teppich zerschlissen war und daß mehrere Generationen von Pepsi-Cola-Flaschen gespenstische Ringe auf dem Eichentisch rechts von ihm hinterlassen hatten. Der Tisch (der für immer von einem früheren Bewohner verunziert worden war, der Wimpys Profil darin eingeschnitzt hatte) war auch voller Staub; aber schließlich war der ganze Platz voller Staub, vor allem der Schrank aus dunklem Holz, in dem gewöhnlich seine Sam m lung untergebracht war. Und jener Cord-Fauteuil in der N i sche – du lieber Gott! Wie schwarz die Stelle war, wo Ell s worth gewöhnlich seinen schmierigen Kopf anlehnte. Welch feuchte Brutstätte das Waschbecken in der Ecke war! Und der Spiegel erst – er war so fleckig und verdreckt, daß sich das ganze Zimmer, selbst wenn es sauber wäre, in ihm schmutzig spiegeln würde. Welch ein Ort zum Wohnen! Aber wie konnte sich ein Verkäufer in einem Warenhaus mit 75 Cent die Stunde etwas Besseres leisten? Was führte er bloß für ein Leben! Ach, meinetwegen … zumindest lebte er. Das war schon etwas wert. Und er war jung; nicht wie … nicht wie dieser versteinerte Waters hier. Bis jetzt war ihm noch gar nicht aufgefallen, welch schreckliche Leberflecken der Kerl hatte. Er war alt. Er stand schon am Rande des Grabes, die braune Erde zerbröckelte unter seinen vorst e henden Zehen und fiel in den dunklen Schacht … und er wußte es. Er wußte, daß er nicht mehr lange zu leben hatte, und seine Energie und sein fröhliches Gerede waren eine verzweifelte Verleugnung seiner Verzweiflung. Der junge Mann fühlte beim Anblick des Alten einen gelinden Schre c ken … denn genau das, erkannte er, stand auch ihm bevor – falls er Glück hatte. Genau das kam in der Zukunft, dieser schrecklichen Zukunft, auf ihn zu.
    Gekränkt, ernüchtert, wandte er die Augen ab und schaute sich das einzige an, das in dem Zimmer sonst noch von I n teresse war, die auf dem Bett verstreuten Zeitschriften. Und als er sie jetzt mit geschärftem Blick und in dem schonung s losen Licht vom Fenster her betrachtete, fiel ihm deutlich auf, wie abgegriffen die Umschläge aussahen und wie ze r rissen diese Bündel von holzhaltigem Papier im allgemeinen waren. Holzhaltiges Papier? Abfallpapier würden manche dazu sagen … Leute wie seine Eltern und nahezu jeder a n dere ältere Mensch seiner Bekanntschaft. Er hatte immer unbehaglich so getan, als kümmerte ihn ihre Meinung nicht, aber jetzt wurde ihm voller Beschämung bewußt, wie jedem gewöhnlichen Menschen seine Magazine vorkommen wü r den. Jedem gewöhnlichen …? Nun ja, freiheraus gesagt: wie sie jedem normalen Menschen vorkommen würden. Billige Erzeugnisse auf derbem Papier,

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