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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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zu jenem Zeitpunkt war er Marshall und arbeitete als Versorgungskoordinator für die Niederlassungen. Er bekam keine Genehmigung. Er arbeitete seine Zeit ab, aber er war besessen von den Experimenten auf der Venus. Er verlegte seine eigene Kontrolleinheit nach Parker, wo der Standard miserabel war und die Giftalarme so häufig, daß die Leute in ihren Anzügen schlafen mußten, und er verfolgte das Projekt aufmerksam.
     
    Unichem hegte die Hoffnung, das Hautgewebe der Versuchspersonen durch flexibel segmentierte Hornschilde zu ersetzen, vergleichbar mit denen, die man mit Erfolg auf Barbary-Affen gezüchtet hatte. Das Barbary-Gewebe schien für die ätzende Venusatmosphäre völlig undurchdringlich zu sein und war erstaunlich resistent gegen Termiten. Es erschien zumindest möglich, daß es widerstandsfähig gegen Druck im Hochbereich sein würde, und darüber hinaus dachte man an ein ausgetüfteltes subkutanes Kühlverfahren. Es gab Probleme. Zunächst einmal sind Menschen und Barbary-Affen klinisch nicht austauschbar. Zudem konnten die undurchdringlichen Hornschichten die normalen Hautfunktionen nicht vollziehen, so daß diese auf irgendeine Weise künstlich weitergeführt werden mußten. Weiter hielt man es für notwendig, sämtliche Körperöffnungen bis auf Mund und Nase zu verschließen. Dies wiederum erforderte die Verlegung des Verdauungstraktes und die Zerstörung der Fortpflanzungsorgane.
    Das Planziel war ein Mensch, der sich mit nichts als einem Sauerstoffgerät und einer Kühleinheit auf dem Planeten fortbewegen konnte. Man würde ihn im Stützpunkt intravenös ernähren und sein Blut während der Schlafperioden reinigen. Das alles hätte jedoch wenig Sinn gehabt, selbst wenn es gelungen wäre.
    Obwohl die Experimente unverantwortlich waren, wurden sie doch mit großer Sorgfalt durchgeführt. Als die erste Versuchsperson starb, hatte man aufgrund dieser Sorgfalt überhaupt erst sechs behandelt, und die letzte kam mit relativ heiler Haut davon. Die Frau namens Rachel Kwe war ebenfalls noch am Leben, als Mr. Coombes seinen Abschied nahm, aber mit ihr waren sie zu weit gegangen, so daß sie nicht mehr tun konnten, als sie am Leben zu erhalten.
    Rachel Kwe lebte jetzt in einem Plexiglastank, der mit einer klaren, leimartigen Flüssigkeit gefüllt war; darin konnte sie sich frei, wenn auch nur langsam, bewegen. Ihr Kopf steckte in einem blasenförmigen Helm, aus dem ein Gewirr von Schläuchen und Kabeln nach oben aus der Flüssigkeit heraus in ein Lebenserhaltungssystem führte. Sie hatten nicht mehr versucht, das neue Gewebe auf ihr zu züchten, denn sie wußten, daß es sie umbringen würde, aber für die Luft auf der Erde hatten sie sie ruiniert, und so saß sie hier in der Falle.
    Er sah sie einmal. Sie trieb aufrecht in der Mitte des Tanks, ihr Körper ausgezehrt, silbrig und haarlos, das Gesicht in dem kleinen Helm braun und teilnahmslos, die Augen geschlossen. Man hatte ihm gesagt, daß sie keine Notiz von ihm nehmen würde, aber als er sie lange Zeit betrachtet hatte, öffneten sich ihre Augen. Sie sah ihn an und erkannte ihn. Sie schwebte zum Glas, und ihre Lippen bewegten sich, und der kleine, in den Tank eingelassene Lautsprecher sagte: „Marshall“, und sie streckte ihre schattenhafte Hand aus und legte sie auf das Glas, als wollte sie ihn berühren. Das Glas war warm.
    In seinem Gesicht muß Verzweiflung gestanden haben. Sie sahen einander durch das Glas hindurch an, bis der kleine Lautsprecher sagte: „Es wäre in jedem Fall schlimm ausgegangen.“ Dabei bewegten sich ihre Lippen, und ihre Augen schlossen sich, und er wandte sich ab.
    Das ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her. Mr. Coombes wurde entlassen und kehrte nach Woburn zurück. Rachel Kwe ist zweifellos gestorben. Mr. Coombes wurde Versorgungsbeamter und dann Manager im Hockliff-Werk, das wie die meisten Betriebe zu jener Zeit beschädigt, veraltet und überlastet war. Tatsächlich ist es das immer noch, nur daß an die Stelle der Kriegsschäden mittlerweile die Schäden von zwanzig Jahren Abnutzung getreten sind, aber wir sind nicht verhungert, seit er das Werk übernahm. Während der Hungerkatastrophe lebten wir vier Monate lang von einer Art rohem grünem Brei, aber wir lebten.
    In der Datenbank des Blocks gibt es ein Holo von ihm, das bei seiner Rekrutierung aufgenommen wurde. Es zeigt Kopf und Schultern eines Jungen mit rundem Gesicht und glattem, mausfarbenem Haar, die Augen nach vorn und die Miene gefaßt auf die Nachwelt

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