Kopernikus 5
mit den diplomatischen Gepflogenheiten der Erdstaaten kaum allzu vertraut sein dürfte, kann sich der Minister gut vertreten lassen). Vor wenigen Minuten nun hat sich an dem Kugelschiff eine Schleuse aufgetan; der Protokollchef hat darauf gewartet, daß der Besucher herauskommt, doch als niemand erscheint, faßt er sich ein Herz und betritt selbst das Schiff, nachdem er sich die Brille mit energischem Griff auf der Nase zurechtgerückt hat.
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DOKUMENTATION:
„eil – – eil – – eil – – eil – – eil – – eil – – eil – – dpa 1710 1003 uhr das raumschiff öfnet sich
utl.: erste begegnung zwischen einem menschen und ausserirdischen. niederbachem, 17. okt. soeben, um genau 10 uhr 01 öffnete sich die aussenschleuse des in der vergangenen nacht gelandeten raumschiff es vom planeten arkturus (roem.) fünf, nach fast genau elf stunden Wartezeit geht damit einer der grössten träume der menschheitsgeschichte in erfüllung: die begegnung mit außerirdischen intelligenzwesen. der beweis ist erbracht, die menschheit ist nicht allein im kosmos.
als erster mensch der erde wird der protokollchef des bonner auswärtigen amtes in Vertretung des verhinderten bundesaussenministers das fremde schiff betreten und dem besucher aus dem Weltraum gegenüberstehen.
schon jetzt sprechen politische beobachter in der bundeshauptstadt von einem historischen datum, das nach meinung vieler ex-perten höher zu bewerten ist als die erste landung eines menschen auf dem mond.“
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SZENE:
Die Demonstranten sickern allmählich über Feldwege, Nebenstraßen, durch Hecken und Gebüsche nach Niederbachem ein. Auch durch die Ausläufer des Kottenforstes gelingt es einigen Mitgliedern der „Bürgerinitiative Rettet den Kottenforst“, die besonders gut zu Fuß sind, in das Niederbachemer Tal zu gelangen.
Zunächst gruppieren sie sich nur zu zweit oder zu dritt und gelangen so, von Westen her und durch einige der gepflegten Gärten hindurch, in das Innere des Polizeiriegels. Sie halten sich versteckt, bis die Neuigkeit sie erreicht, daß das fremde Schiff sich geöffnet hat und der Vertreter der Bundesregierung durch die Schleuse die Kugel betritt. Da scharen sie sich auf der Kuhweide westlich des Sportplatzes zu einem größeren Haufen zusammen.
Transparente und Papptafeln haben sie unter ihren Parkas und Mänteln hereingeschmuggelt und entrollen sie nun flink. Soll doch der außerirdische Gast sehen, auf welcher Welt er gelandet ist; einer Welt, auf der Wälder aus niedrigen Beweggründen abgeholzt werden, Tiere und Pflanzen sterben müssen und die Natur in ihrer Vielfalt soweit verstümmelt wird, bis von ihrer ursprünglichen Schönheit nicht mehr viel zu erkennen ist. Eine Welt, in der der Mensch seine Umwelt und damit sich selbst langsam, aber desto gründlicher zugrunde richtet.
Das soll der Gast erkennen, meinen die Demonstranten.
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DOKUMENTATION:
„Der Kottenforst ist in Gefahr!
Primitive Geschäftemacher wollen uns unseren Wald rauben!
Mitbürger – wehrt euch! Wir brauchen den Wald als natürlichen Lebensraum nicht nur für den Weiterbestand des Wildes und der Vogelwelt, er ist auch dringend notwendig als Erholungsgebiet für den Köln-Bonner Ballungsraum.
Der Kottenforst ist eine natürliche Lunge; er sichert uns atembare, saubere Luft.
Spekulanten wollen den Wald im Bereich von Ober- und Niederbachem, Ließem, Heiderhof und anderweitig bis nach Villiprott abholzen.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand, die Begründung ist fadenscheinig. Dieser Wald ist nicht krank, wie von einer interessiertren Lobby behauptet wird. Dies beweisen Gutachten, die in unserem Auftrag erstellt wurden. Hier geht es einzig und allein um Geld, um viel Geld. Denn rund um die Bundeshauptstadt fehlt Bauland. Die Preise für Bauplätze haben sich in nur fünf Jahren stellenweise verdreifacht.
Helft alle mit, den Kottenforst zu retten und als Ganzes zu erhalten!
ACHTUNG: Die für 11 Uhr geplante Demonstration auf dem Bonner Münsterplatz wird kurzfristig nach Niederbachem und damit in ein unmittelbar betroffenes Dorf verlegt.
Hier geht es um unser aller Interessen!“
(Hektografiertes Flugblatt der „Bürgerinitiative Rettet den Kottenforst“. Kein Verantwortlicher im Sinne des Presserechts angegeben)
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SZENE:
Sie stehen am Sichtschirm des Raumschiffes und sehen nach draußen: der Protokollchef des Auswärtigen Amtes und der Gast von einem anderen Planeten, Seine Exzellenz, der
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