Kopernikus 6
I den Streit zu schlichten. „Schildern Sie uns den Fall, d’Albert.“
„Gerne. Als ich aufwachte, war meine Haut weg, die Wunde da und mein Verdacht erhärtet.“
„Welcher Verdacht?“
„Daß man mich klonen will.“
„Schon wieder“, murmelte Muller III.
D’Albert schluckte eine Erwiderung auf diese unverschämte Bemerkung hinunter, weil in diesem Augenblick das Telefon in der Ecke des Büros schrillte.
Muller I erhob sich hinter dem Schreibtisch und durchquerte den Raum.
„Darf ich Ihre Wunde befühlen?“ erkundigte sich Muller II.
„Nein“, antwortete d’Albert, der noch immer mißgestimmt war.
„Weshalb denn nicht?“
„Sie schmerzt. Außerdem weiß ich wirklich nicht, warum Sie sie befühlen wollen.“
„Weil ich einen Verdacht habe.“
„Welchen Verdacht?“ fragte d’Albert.
„Wie soll ich das wissen, wenn ich Ihre Wunde nicht einmal befühlen oder wenigstens noch einmal anschauen darf.“
„Mein Kumpan äußerst nie einen Verdacht, den er nicht erhärten kann“, erläuterte Muller III. „Daher wäre es wünschenswert, wenn Sie ihm gestatten würden, die Wunde nochmals eingehend zu untersuchen.“
„Also dann, in Gottes Namen“, ergab sich d’Albert.
Die beiden sprangen genau wie zuvor auf und beugten sich über d’Alberts Ohr. Nummer III strich die Haare zurück, und Nummer II befingerte die Wunde. „Hast du auch den Eindruck?“ fragte er.
„Du könntest recht haben.“
„Wovon, zum Teufel, sprecht Ihr?“ erkundigte sich d’Albert aufgebracht.
„Von Ihrem Fall natürlich. Mein Kollege meint – und ich neige dazu, ihm zuzustimmen –, daß man Ihnen gar kein Gewebe entnommen hat. Sie könnten sich unbemerkt verletzt haben, und das Hautstückchen, das noch an einem Zipfel hing, könnte sich später von selber gelöst haben.“
„Schrecklich“, murmelte Muller II.
„Mein Klonbruder ist sehr sensitiv“, erklärte Muller III. „Er fühlt sich in fremde Leiden ein.“
Muller I kam vom Telefon zurück.
„Da hat einer angerufen“, verkündete er.
„Das wissen wir“, riefen die beiden Ableger wie aus einem Munde.
„Selbstverständlich. Aber ihr wißt nicht, was er gesagt hat.“
„Doch wissen wir das. Hast du vergessen, daß wir in dauernder empathischer Verbindung stehen?“
„Natürlich nicht, die Natur einer solchen Verbindung selber verbietet das. Aber ich frage mich, ob Ihr auch zu meiner Schlußfolgerung gekommen seid.“
„Sind wir“, beruhigte ihn Muller III. „Wir glauben auch, daß der Anrufer recht hat.“
„Wovon redet Ihr schon wieder?“ fragte d’Albert jetzt ernsthaft erbost.
„Von Ihrem Fall“, erwiderte Muller I mit einer Spur von Vorwurf in der Stimme. „Der Anrufer, ein gewisser Smissen oder Smithson, behauptet, er wisse aus zuverlässiger Quelle, daß man Ihnen tatsächlich eine Gewebeprobe entnommen hat.“
„Woher will er das wissen?“ erkundigte sich d’Albert.
„Verhandeln wir seinen oder Ihren Fall?“ ereiferte sich Muller I.
„Wir wissen nicht einmal seinen Namen genau“, ergänzte Nummer II.
„Und was soll der Dieb mit der Haut vorhaben?“ fragte d’Albert.
„Das wissen wir nicht“, gestand Muller I. „Aber der Anrufer meinte, die Probe diene dazu, ein speziell auf Sie anwendbares Enzymgift herzustellen.“
„Geht das denn?“
„Selbstverständlich, einmal oder öfter“, behauptete Muller II.
„Mein Genosse ist auf Enzymgifte spezialisiert“, erläuterte Nummer III.
„Und weshalb sollte man mich vergiften wollen?“ fragte d’Albert.
„Das wagen wir nicht einmal zu ahnen“, gestanden alle drei Mullers beinahe gleichzeitig.
„Aber es ist unser Job, es herauszufinden“, fügte Muller I hinzu. „Haben Sie Feinde?“
„Nicht daß ich
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