Kopernikus 6
Schreibtisch herum und betrachtete die beiden Seitenunterschränke. Der erste war leer bis auf eine umgefallene Colaflasche und einige Kekskrümel. Der zweite beherbergte nichts außer einem bestickten Kissen.
„Aha“, bemerkte d’Albert und begab sich wieder auf seinen Platz.
„Was meinen Sie mit ‚aha’?“ erkundigte sich Muller-hinter-dem-Schreibtisch.
„Ich habe mich vergewissert, woher Ihre Gehilfen kamen.“
„Beachtlich“, erwiderte Muller. „Sie hätten gewisse Qualifikationen für unseren Beruf.“
D’Albert beobachtete scharf das Gesicht seines Gegenübers, konnte aber keine Anzeichen von Spott auf ihm entdecken. Er winkte ab und sagte: „Um auf mein Anliegen zurückzukommen …“
„Darf ich Ihnen meine Ableger vorstellen: Nummer II und III des Muller-Klons. Sie brauchen jedoch Ihre bisherigen Ausführungen nicht zu wiederholen, die beiden haben mitgehört.“
„Ich habe noch keinerlei Erklärung abgegeben.“
„So? Dann wird es aber Zeit. Wir kommen sonst in Verzug, Sie verstehen.“
„Schalte deinen Verstärker ein, du Dussel. Oder ist er schon wieder kaputt?“
„Muller II ist kein Dussel“, meldete sich jetzt Muller III. „Er ist vielmehr mit der Lösung des Falles befaßt.“
„Aber der Fall ist doch noch gar nicht bekannt!“
„Mit dem Fall Grosvenor. Vor drei Monaten.“
„Es handelte sich um ein außerordentlich komplexes Problem“, wandte sich Muller II an d’Albert, indem er entschuldigend lächelte. „Ich sagte absichtlich ‚handelte’, weil ich es soeben gelöst habe.“
„Belästige den Herrn nicht mit vergangenen Fällen, du Dussel“, sagte der als Muller I signifikant gewordene Muller hinter dem Schreibtisch mit autoritärer Stimme. „Mr. d’Albert, würden Sie bitte endlich Ihren Fall vortragen, wir haben nicht ewig Geduld, wissen Sie.“
D’Albert verzichtete auf eine wütende Erwiderung und sagte statt dessen: „Ich bin, wie ich bereits andeutete, beraubt worden. Man hat mir ein Stückchen Haut entnommen.“
„Dann klagen wir auf ‚Körperverletzung’.“
„Dazu ist die Wunde nicht groß genug. Mein Vorstoß zielt in eine andere Richtung. – Ich vermute, daß man mich klonen will.“
„Kastrationskomplex“, bemerkte Muller II.
„Höchste Zeit, daß die Terminologie geändert wird“, überlegte Muller III laut.
„Exstirpationskomplex“, reagierte Muller II.
„Nummer III meint nicht die Psychologie, sondern die Rechtsprechung“, wies Muller I seinen Ableger zurecht. „Wissen Sie, Nummer II hat sich der Psyche verschrieben“, wandte er sich an d’Albert. „Er denkt für meinen Geschmack ziemlich einseitig, um nicht zu sagen: anstößig.“ Dann drehte er sich wieder in Richtung von Muller II und sagte mit schneidender Stimme: „Wirst du endlich deinen Gedankenverstärker einschalten, du Dussel?“
„Er ist in Reparatur.“
„Ach so. Fahren Sie fort, Mr. d’Albert.“
D’Albert, der das dialektische Gefecht fasziniert verfolgt hatte, schreckte auf und erwiderte gehorsam: „Als Indiz besitze ich diese Wunde am linken Ohrläppchen.“
Im gleichen Moment sprangen Muller II und III auf und beugten sich eifrig über d’Alberts Kopf. Der eine strich die Haare zur Seite, und der andere sagte, nachdem er geräuschvoll die Luft ausgestoßen hatte: „Groß genug ist sie ja.“
„Mehr als doppelt so groß“, stimmte der andere zu.
„Aber kann man bei einer Wunde von einem Besitz sprechen?“
„Kaum. Man kann höchstens feststellen, daß ein Stück Gewebe entnommen wurde – zu einem unbekannten Zweck.“
„Zum Zweck des Klonens“, beharrte d’Albert.
„Wir wollen den Fall untersuchen, nicht den Zweck“, versuchte Muller
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