Kopernikus 6
Freiraum lag, bequem auf türkische Kissen gebettet, d’Albert. Oder ein Klon von d’Albert. Oder ein Ableger eines Klons von diesem Professor.
Dieser Mensch erhob jetzt seinen Oberkörper um ein paar Zentimeter und sagte: „Ich grüße die Herren.“ Dann erblickte er McNulty und fragte: „Ist denn schon Mittag?“
„Nein, mein Schatz“, erwiderte der Vorzimmerklon. „Aber man hat unser kleines Geheimnis entdeckt.“
„So?“ fragte das Individuum desinteressiert. „Dann weck mich, wenn du Pause hast.“ Nach diesen Worten ließ es sich wieder zurücksinken und schloß die Augen. Es schien sofort einzuschlafen.
„Hier können Sie die Reproduktionsfehler an einem Klon der zweiten Generation mit eigenen Augen sehen“, erläuterte McNulty. „Er ist ein wenig zurückgeblieben, aber er ist sehr lieb.“
„Das bezweifelt niemand, McNulty. Aber vielleicht erklären Sie uns, wie es dazu kam“, sagte Muller III.
„Das ist zum größten Teil schon klar“, behauptete Muller 1.
„Professor daLambert bat mich um eine Gewebeprobe“, begann der Vorzimmerklon. „Er wußte von meinem Verhältnis mit d’Albert, seinem Ableger.“
„Wir auch“, stellte Muller III fest.
„D’Albert, der Klon, trug sich mit dem Gedanken, sich noch einmal zu reproduzieren. Er war ein Narzist.“
„Und Sie haben seinen Plan verraten.“
„Ich war eifersüchtig auf – ihn. Ich erzählte dem Professor von dem Vorhaben, und daLambert beschloß, ihn zu töten. Dazu benötigte er die Gewebeprobe.“
„Das wissen wir, McNulty“, sagte Muller I sanft.
„Als mir klar wurde, daß ich d’Albert verlieren würde, reifte in mir der Entschluß, ihn meinerseits zu klonen.“
„Sie wissen, daß das verboten ist.“
„Niemand hätte es erfahren müssen. Ich habe ihn ja gut versteckt.“
„Ihr Pech, daß d’Albert in unsere Praxis kam, weil er Verdacht schöpfte.“
„Falsch, er kam zu uns, weil wir die einzigen Juristen waren, die ihm einfielen. Er wußte von uns durch Sie, seine Geliebte.“
„Er war ein so kluger Mann“, seufzte McNulty. „Fast so klug wie der Professor.“
„Naturgemäß, Miss McNulty. Vermutlich kennen Sie die Strafe für wiederholtes Klonen?“
„Ja. D’Albert II und ich sind raus aus dem Gen-Pool.“
„Richtig. Sie werden beide bis an Ihr Lebensende die Pille nehmen müssen.“
„Wahrscheinlich bin ich zudem entlassen?“
„Selbstverständlich, Miss McNulty. Aber bevor Sie gehen, werden Sie uns helfen, die Leiche aus unserer Praxis zu entfernen.“
„Sofort, Mr. Muller.“
Jeff Duntemann Unsere Liebe Frau vom Unendlichen Himmel
OUR LADY OF THE ENDLESS SKY
1
Unter einer glasigen Kuppel, die von der Mondnacht unsichtbar gemacht wurde, streckte die Muttergottes ihre Arme aus, um den steinigen Horizont darin einzuschließen. Über ihrer friedlichen weißen Stirn wachten ewig die Sterne in einem Himmel, der so tief war, daß er keinen Boden besaß.
In der unvollendeten Kirche kniete Pater Bensmiller vor dem Podest aus Mondgranit und betete.
Laß sie sehen, was ich gerade sehe, Mutter, und sie kommen zu dir gelaufen.
Vom staubigen, frisch mit pastellblauen Kacheln eingelegten Boden setzte sich eine schwache Schwingung in seine Knie fort. Bensmiller blickte hoch. Grelle Lichtblitze, von Metall widergespiegelt, blendeten seine Augen. Ein polierter Kranschnabel aus Aluminium schwenkte ins Blickfeld und verschwand zitternd hinter einer Mauer, die die durchsichtige Kuppel stützte. Der Kran wurde zur Baustelle transportiert, wo ein Drittel des Stationspersonals damit beschäftigt war, neue Maschinen im Mondboden zu verankern.
Bensmiller widmete sich am Fuß der Statue wieder seinen persönlichen Leiden.
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