Kopernikus 6
Blechschere in einer Hand. Bensmiller trat zurück, während die Sanitäter den stöhnenden Mann davonschoben.
Kreski warf die Schere neben seinen Helm auf den Boden. Er wandte sich dem Priester zu, seine dünnen Koteletten waren von Schweißtropfen benetzt. „Was zum Teufel ist mit Ihnen los?“
Das rötliche Gesicht trug einen Ausdruck hektischer Wut, der Mann atmete immer noch tief und hastig. Es war kein Gesicht, dem man mit Leichtigkeit begegnen konnte. Bensmiller leckte sich die Lippen. „Ich bin Priester. Diese Männer sind meine geistliche Aufgabe. Wenn sie deprimiert sind, tröste ich sie. Wenn sie sich schuldig fühlen, nehme ich ihnen die Beichte ab. Wenn sie sterben, spende ich ihnen die letzten Sakramente. Das ist mein Beruf. Dies ist meine Gemeinde.“
Irgendwie klang es so, als sei es überhaupt nicht das Richtige, um es in einem solchen Augenblick zu sagen, aber vor Kreskis schwitzender Wut brachte Bensmiller es nicht fertig, hart zu sein. Kreski wandte sich einen Moment zur Seite, wischte etwas Schmutz aus seinem Gesicht und blickte dann den Priester mit nunmehr gedämpftem Zorn an.
„Wenn Sie Ihren Hokuspokus bei Odner abziehen wollen, dann tun Sie das. Er wird Sie nicht hören, aber vielleicht fühlen Sie sich danach besser.“ Mit seinem behandschuhten Finger wies Kreski auf den anderen Verletzten, der immer noch auf einem improvisierten Metallbett am Boden lag. Die Sanitäter hatten ein Laken über ihn geworfen. Bensmiller beugte sich, von einer bodenlosen Furcht überflutet, hinab und zog das Laken beiseite. Das Gesicht war aschfahl, der Mund geschlossen. Getrocknetes und trocknendes Blut verfärbten Wangen und Hals. In der Brust schlug kein Puls. „Ein zehn Tonnen schwerer Wärmetauscher ist auf ihn gefallen. Langsam. Seine Innereien sind nur noch ein Brei.“
„Aber …“ Bensmiller zog das Laken weiter zurück. Er kam sich vor wie ein Leichenfledderer an einem geöffneten Grab. Der Körper war ganz. Er schien nicht sonderlich verletzt zu sein, keine Verrenkungen oder Verzerrungen. Aber wo die Haut durch den zerfetzten Arbeitsanzug zu erkennen war, da war das Fleisch purpurn und schwarz. Erdrückt. Der Priester zog das Laken wieder zurecht, als wollte er es über den Kopf legen, dann zögerte er. Er blickte Kreski an. Wie ein Falke kreiste der Name in seinem Kopf. Odner … Odner … Odner. Er schien nicht eindeutig jüdisch zu sein, auch nicht eindeutig katholisch, überhaupt nicht irgendwie eindeutig. Es war nur ein Name und ein schmerzbleiches Gesicht, das zu einem zerschmetterten Körper gehörte. „Was war er?“ fragte Bensmiller den Kommandanten.
Kreski blickte ihn wütend an. „Ein Mensch.“ Er zog seine großen grauen Handschuhe aus und steckte sie in seinen breiten Druckanzuggürtel. „Das und ein verdammt guter Landwirt. Das ist alles, was ich über ihn weiß.“
Der Priester senkte seinen Blick auf den Leichnam. Er befeuchtete seinen Daumen und Zeigefinger im Mund und machte das Kreuzzeichen auf der grauen Stirn.
„Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Vater, nimm Deinen Sohn Odner auf. Er war ein verdammt guter Landwirt.
2
„Das kann er nicht machen.“
Chamblen scharrte mit den Füßen und blickte zu Boden. „Er kann es. Es tut mir leid, Tom, aber er kann es.“
Bensmiller lehnte sich an das Gerüst, das die Statue der Mutter Gottes schützte, und blickte sich wütend in der Kirche um. Es gab noch keine Bänke, aber die Bänke sollten sowieso als letztes kommen. Alle Statuen standen an ihrem Ort und waren im Augenblick unverhüllt von den verborgenen Vorhängen, die die Kirche auf Knopfdruck in Einklang mit der lutheranischen Doktrin über Heiligenbilder bringen konnten. Es gab eine
Weitere Kostenlose Bücher